Der Fernsehsender Pelzetleiten aus Steinbach

28.6.2016, 14:00 Uhr
Der Fernsehsender Pelzetleiten aus Steinbach

© Foto: Peter Kunz

Auf dem Küchentisch von Hildegard Besendörfer liegt die dicke Chronik der „Wiesentaler“. In den fein säuberlich, zum Teil noch in Sütterlin-Schrift geschriebenen Protokollen, in Fotos, Programmzetteln und Zeitungsartikeln ist die Geschichte der Steinbacher Theatergruppe ausführlich dokumentiert. Das ist gut so, denn von den Gründungsmitgliedern lebt heute keines mehr. Aber Besendörfer und Ingrid Zempel kennen viele der alten Geschichten, und haben selbst so einiges auf den Brettern, die auch in Steinbach die Welt bedeuten, erlebt.

Begonnen hatte alles mit dem 60. Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr im Jahr 1955, eines der ersten großen Feste nach dem Krieg. Eigentlich war es ja das 61. Jubiläum, das man einfach mal grade sein ließ. Man hatte nämlich einiges nachzuholen: Der runde fünfzigste Geburtstag, der 1944 fällig gewesen wäre, konnte nicht begangen werden. Fast alle Männer waren damals eingezogen, an ein ungezwungenes Fest war in der Endphase des Kriegs nicht zu denken.

Umso enthusiastischer ging man 1955 an die Gestaltung des Jubiläums und feierte wohl nicht nur die Feuerwehr, sondern auch, dass man Krieg, Hunger und Gefangenschaft überlebt hatte. Der Höhepunkt des Festes: Komplett in Farbe strahlte der „Fernsehsender Pelzetleiten“ im Saal der Gastwirtschaft Zimmermann den belustigten Steinbachern und Gästen aus den Nachbarorten ein wohl durchaus selbstironisches, buntes Programm aus – denn einen echten Fernseher hatte damals fast niemand.

In der Flimmerkiste auf der Bühne liefen Steinbacher Nachrichten, ein Wunschkonzert und eine kleine Seifenoper, dazwischen Werbespots. Der Auftritt war ein riesiger Erfolg und wurde zum legendären Ereignis, über das man noch lange redete. Daran anzuknüpfen lag nahe und wurde vom Publikum vehement gefordert. Dem Wunsch kam man gerne nach, schließlich war das nicht nur ein unvergesslicher Abend gewesen, sondern hatte auch einen schönen Batzen Geld für die dringend benötigte Ausrüstung der Feuerwehr eingebracht – nicht unwichtig in der auf dem Land immer noch sehr mageren Nachkriegszeit. So machten sich die Aktiven daran, einen Dreiakter, „S’Glück im Winkel“, einzustudieren, eine Bühne und Kulissen zu bauen. Wieder war die Aufführung ein Triumph. Schließlich wurde 1956 ein Verein gegründet, „Die Wiesentaler“, die heuer selbst ihren 60. Geburtstag feiern.

Im Mittelpunkt der Vereinsaktivitäten stand das Theater. Fast jedes Jahr wurde ein Stück inszeniert und man scheute in der „heilen Welt“ der 50er nicht vor ernsten Themen zurück, wie dem Kriegsheimkehrerdrama „Friede auf Erden“, das 1956 ein weiterer großer Erfolg wurde. Trotzdem kamen die leichteren Stücke beim Publikum doch meistens besser an, erinnert sich Hildegard Besendörfer. Genre-Stücke à la „Die Försteranni“ oder Schenkelklopfer wie „Die g’mischte Sauna“. Später entdeckte man, ebenfalls sehr erfolgreich, die Stücke von Hans Sachs für sich.

Mehrere Generationen Steinbacher haben die Schule der Wiesentaler durchlaufen, schlüpften auf der Bühne in andere Rollen, sind selbst daran gewachsen und haben ihr Publikum zum Lachen und zum Weinen gebracht. Die Funktion des Vereins für Gemeinsinn und Identität der Steinbacher kann wohl kaum überschätzt werden.

Nachwuchs ist gesichert

Neben den Auftritten in Steinbach und in Cadolzburg wurden die Wiesentaler immer wieder zu Gastspielen eingeladen, unternahmen Ausflüge, waren bei den Kärwazügen in Cadolzburg und Fürth mit dabei und organisieren bis heute jedes Jahr ein Zeltlager für die Dorfjugend. Momentan hat der Verein 80 Mitglieder, der Nachwuchs scheint gesichert, auch wenn die Konkurrenz groß ist. „Früher hat man einfach Zettel verteilt, dann sind alle gekommen. Heute muss man die Leut’ schon direkt ansprechen“, weiß Ingrid Zempel.

 

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