Der Franken-Tatort — eine Prospektive

17.12.2013, 10:00 Uhr
Der Franken-Tatort — eine Prospektive

© Winckler

Nun lassen wir die ganze Aufregung um die Schauplätze, die Darsteller, das immer noch unbekannte Drehbuch etc. mal beiseite und wagen einen Blick in die Zukunft. Es ist Spätherbst 2014, der erste Tatort-Fernsehkrimi aus unserer Region ist einigermaßen erfolgreich über die Kiste geflimmert (Einschaltquote 24,6% — ganz ordentlich, aber natürlich nicht so gut wie Münster), die Kritiken reichen von offen erfreut bis verhalten euphorisch, und nur 50% der Franken sind unzufrieden. Zum einen, weil die zwei Chefs des Teams kein fränkisch sprechen, zum anderen, weil ihr Dorf trotz der zahlreichen und gut übers Land verteilten Schauplätze (von Nürnberg bis Würzburg) nicht zu sehen war. Und doch steht eine Fortsetzung bei den Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks ganz arg auf der Kippe — warum?

Es geht wie so oft ums liebe Geld. Denn während so ein Tatort in München mit renommierten Schauspielern und einen hochprofessionellen Produktionsteam für 15000 Euro pro Minute gedreht werden kann, hat der fränkische Ableger fast das Doppelte gekostet. Nun lag das natürlich nicht daran, dass die Schauspieler mehr renommiert oder das Team weniger professionell waren. Nein, es lag an den vielen Unbilden der fränkischen Region, die für so ein Tatort-Team eine ähnliche Terra Incognita darstellt wie der Himalaya für Seepferdchen. Hätten sie sich nämlich etwas besser ausgekannt, hätten sie so manches Problem vermeiden können.

Es begann alles mit den vergleichsweise stabilen Bierpreisen in Fürth. Dort waren die unteren Dienstgrade der Mannschaft vom Kabelträger über Beleuchter bis zu den Maskenbildnerinnen während der Drehtage am Nürnberger Hafen untergebracht. Da sie sich üblicherweise in München aufhielten, glaubten sie zunächst ihren Augen nicht zu trauen und wähnten sich dann in einer Zeitmaschine, die sie etwa zehn Jahre zurückbefördert hatte (vorher gab’s ja keinen Euro). Jedenfalls nahmen die Herrschaften dies zum Anlass, sich öfter mal zu einem After-Work-Stammtisch zusammenzusetzen und dabei zwei oder drei Bierchen über den Durst zu trinken — mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Denn das fränkische Bier ist nicht nur besser und billiger als das aus München, es ist auch um einiges stärker.

Als sich die Dreharbeiten dann den Main-Donau-Kanal hocharbeiteten, verfielen einer der Hauptdarsteller, der Chef-Kameramann und der Regisseur dem Aischgründer Karpfen. Spätestens zur Mittagsstunde überkamen sie so heftige Entzugserscheinungen, dass die Dreharbeiten täglich für mindestens vier Stunden unterbrochen werden mussten, damit die Herren die gebackene Köstlichkeit sowohl verspeisen als auch verdauen konnten.

Etwas weiter, in Bamberg, hatte der Großteil des Teams seine Trinkgewohnheiten zwar wieder halbwegs im Griff, dafür verzückte die Aussicht vom Spezial-Keller die aus Berlin stammende Hauptdarstellerin derart, dass sie oft morgens statt am Set auf dem Stephansberg vorgefunden wurde, wo sie mit Blick auf Domgrund und Michelsberg immer nur „wie schön, wie schön, wie wunderschön“ hauchte. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass sie ihren Text für den Tag natürlich nicht beherrschte.

Weiter mainabwärts in Unterfranken geriet das Team im mehrere Weinfeste. Was dann passierte, braucht mit Hinweis auf den Frankenwein und dessen noch vorherrschende Preisgestaltung nicht mehr weiter ausgeführt werden. Brenzlig wurde es nur für Hauptdarsteller, Kameramann und Regisseur, weil der gebackene Karpfen hier nicht mehr sehr verbreitet und zudem die Saison beendet war, sodass sich die Süchtigen vorübergehend in ein Sanatorium in der Rhön zurück- und einer kalten Entzugstherapie unterziehen mussten.

Dazu kamen noch fortlaufende kleinere Störungen wie zeitraubender Small Talk mit fränkischen Waafgosch’n bei Außendrehs (ja, nicht alle Franken sind maulfaul!) oder hartnäckige Kontaktversuche durch regionale Krimi-Autoren, die ernstgemeinte Hinweise zum Drehbuch loswerden wollten.

Alles in allem brauchte man für die Fertigstellung des Franken-Tatort 45 Drehtage, was einer Verdopplung des üblichen Aufwands und somit auch der Kosten entspricht. Dazu kommt, dass das Produktionsteam bis auf weiteres nicht mehr zu gebrauchen ist (Anpassungsstörungen in München, Karpfensucht, Alkoholprobleme, Wohnungssuche nördlich der Donau, etc.). Jedenfalls ist es fraglich, ob es einen zweiten Franken-Tatort geben wird, und wenn, dann wird es wohl der erste Animations-Tatort werden. Womit ein weiteres Mal der Wert Frankens als Innovationsregion bewiesen wäre.


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