Der Hölle Rache pfeift in meinem Herzen

4.10.2017, 18:40 Uhr
Der Hölle Rache pfeift in meinem Herzen

© Foto: Athina Tsiplostefanaki

Hier fiel wirklich alles aus dem Rahmen. Diese Burgfarrnbacher Sonntagsmatinee war ein Sonderkonzert, das erste in den sagenhaften 42 Jahren der "Soiree im Schloss"-Reihe, um auch Nicht-Abonnenten die Chance zu bieten, diesen Nikolaus Habjan zu hören. Denn schon im Vorjahr riss der seit einer Woche 30-Jährige die Soiree-Zuhörer mit seiner Kunst von den Stühlen — Anlass genug für Programmchefin Claudia Floritz, das Multitalent erneut nach Fürth zu holen.

Der Grazer, der auch als Puppenspieler — beim Figurentheater-Festival gastierte er vor einigen Wochen im Stadttheater — und als Opernregisseur ein aktuell sehr gefragter Künstler ist, bot im Schloss einen Querschnitt durch bekannte und heißgeliebte Opernliteratur. Angetan haben es ihm besonders die virtuosen Koloraturarien, da ist er Spezialist. Und ja, so mühelos, so akkurat und doch schön hat man die Rachearie der Königin der Nacht selten gehört.

Ob man sich ab jetzt alle Opernschmankerl lieber vorpfeifen als singen lässt? Das wieder nicht; da würde dann doch etwas fehlen, das Timbre der menschlichen Stimme, die Kontraste zwischen den unterschiedlichen Stimmlagen, von der zusätzlichen Dimension des Wortes ganz zu schweigen.

Unverbrauchte Versionen

Mit dem Charakter der Rarität versehen ist es aber gerade dieses Fehlen, das den Arien einen eigenen Reiz gibt. Manche durch allzu häufige Wiederholung abgenutzten Musikstücke wirken in der gepfiffenen Version plötzlich wieder unverbraucht und neu. Auch deshalb, weil Habjan sich nicht auf ein Stimmfach beschränken muss.

Die Heroik des "Troubadour", die kochende Wut der Königin der Nacht, die Verzweiflung der Rusalka, sie alle sind losgelöst von den üblichen Assoziationen; es sind nicht Männer und Frauen, die hier singen, sondern Menschen, die ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Die hohen Töne in Max’ Arie aus dem "Freischütz" — "der am schönsten komponierte Angstkomplex der Oper" — sind hier schrille Schreie einer gequälten Seele, wie kein Tenor sie hervorbringen könnte.

Und natürlich hat Habjan als Pfeifer den einen oder anderen Vorteil gegenüber so mancher Sopranistin, kann er doch eine frühe Rossini-Arie, die "eher für die Piccoloflöte als für die menschliche Stimme" gedacht scheint, mit größter Virtuosität pfeifen, obwohl sie quasi keine Atempausen beinhaltet.

Viel mehr als nur Begleitung ist es, was Daniel Nguyen gleichzeitig am Klavier leistet. Ein ganzes Orchester ersetzt der Pianist virtuos und vielschichtig. Da dröhnt und droht das Schicksal, das Carl Maria von Webers "Freischütz" fürchtet, wird Olympias Künstlichkeit ("Hoffmanns Erzählungen") durch das mechanische Ticken der Akkorde betont, wird die süße Ruhe von Cherubinos Liebesständchen durch das unruhige Wallen am Klavier infrage gestellt. Mozarts pubertierender Knabe ist hier vor allem und mit Recht ein aufgeregter Knabe.

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