Der Soul-Hunter

4.8.2014, 18:29 Uhr
Der Soul-Hunter

© Hans Winckler

„Gut“, im Jobcenter einer fränkischen Stadt drückte die persönliche Ansprechpartnerin Linda Harz das Kreuz durch, „Sie möchten also Arbeitslosengeld 2 beantragen, Herr. . .äh, ich habe Ihren Namen noch gar nicht in meinem Programm. . .“

„Luzifer“, sagte der Kunde lächelnd, „Sie können aber auch Satan sagen oder Mephistopheles, gefällt mir auch sehr gut.“

„Was ist dann der Nachname?“, Linda lächelte zurück. Sie bemühte sich, immer freundlich zu ihren Kunden zu sein, auch wenn es jetzt gerade ziemlich heiß in ihrem kleinen Büro wurde. Die Klimaanlage schien mal wieder verrückt zu spielen.

„Ja, öh, das hat mich noch nie jemand. . .“, der Mann schien tatsächlich zu überlegen, „dann nehmen wir Mephistopheles als Nachname.“

Hört sich irgendwie griechisch an, dachte Linda und tupfte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn.

„Adresse?“

„Hölle“, sagte der Kunde freundlich.

„Ah ja. Das ist diese schmale Gasse da, in der Altstadt. Da haben Sie es aber schön.“

„Es ist nicht schlecht“, Herr Mephistopheles gab sich bescheiden, „aber ich trage mich mit dem Gedanken, vielleicht mal umzuziehen.“

„Das ist gut, wenn Sie da flexibel sind“, Linda sah sich gezwungen, die obersten zwei Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. „Denn wenn die Kosten Ihrer Unterkunft zu hoch sind, kann es sein, dass wir auf einen Wohnungswechsel bestehen müssen.“

„Da werden wir sicher eine Lösung finden.“ Seltsamerweise schien der Kunde in seinem schwarzen Anzug kein bisschen zu schwitzen.

„Prima“, Linda fächelte sich mit einer Taschenbuchausgabe des zweiten Sozialgesetzbuches Luft zu, „was haben Sie denn bisher beruflich gemacht, Herr Mephistopheles?“

„Ich war selbstständig, Geschäftsmann, sozusagen.“

„Ah ja. In welcher Branche?“, Linda konnte nicht mehr anders, sie musste auch den dritten Knopf öffnen.

„Das ist nicht so ganz einfach zu beschreiben“, der Kunde rieb sich das Kinn, „heute würde man wohl Human Ressources dazu sagen.“

„Also Personaldienstleistung“, Linda wandte sich wieder ihrer Tastatur zu, „Zeitarbeit?“

„Nein, das trifft es nicht so ganz.“

„Headhunter?“, schlug Linda vor.

„Das ist gut“, Herr Mephistopheles lächelte etwas verschlagen, „wobei mich die Seelen der Leute weitaus mehr interessieren als die Köpfe. Soul-Hunter wäre wohl die treffendste Bezeichnung.“

„Das hört sich doch sehr kreativ an“, Linda verspürte Lust, sich alle Kleider vom Leib zu reißen, aber das ging ja schlecht, „warum läuft denn Ihr Geschäft nicht mehr?“

„Ach, wissen Sie“, seufzte der Kunde, „ich glaube, ich war einfach zu gut. . .“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Meine, sagen wir, potenzielle Kundschaft, beherrscht meine Kernkompetenzen mittlerweile besser als ich selbst.“

„Das ist aber nur schwer vorstellbar, gerade bei Headhuntern. . .“

„Ich bin vor langer Zeit mit einer Mission in dieser Welt gestartet“, der Kunde bekam einen verklärten Blick, „das war wie ein brachliegendes Feld, und ich habe mit Lust gepflügt und gesät und geerntet. Aber davon kann man nicht mehr existieren, wenn es Millionen andere auch tun, verstehen Sie?“

„Nun ja, in die Millionen wird Ihre Konkurrenz hoffentlich nicht gehen. . .“

„Ja, was glauben Sie denn? Das ist ein globales Geschäft. Sie müssen doch nur an einem beliebigen Tag die Nachrichten anschauen, da sehen Sie doch gleich, dass ich nicht mehr gebraucht werde!“

„Gut, das ist ja jetzt hier auch nicht entscheidend“, Linda kam der Verdacht, dass der Kunde womöglich psychische Beeinträchtigungen aufwies, „dann müssten wir allerdings noch eine Eingliederungsvereinbarung abschließen, das ist eine Voraussetzung, damit Sie von uns Leistungen erhalten können.“

„Eingliederungsvereinbarung“, wiederholte Herr Mephistopheles „was darf ich mir denn darunter vorstellen?“

„Das ist so eine Art Vertrag, in dem geregelt ist, was wir beide dazu beitragen können, damit Sie möglichst bald wieder in den Arbeitsmarkt integriert sind.“

„Vertrag ist gut“, der Kunde griff in die Innentasche seines Jacketts und barg ein zusammengefaltetes Papier, „ich habe auch immer gerne mit Verträgen gearbeitet, könnten Sie sich vorstellen, im Gegenzug diesen hier. . ?“

„Ich verstehe nicht ganz“, Linda sprang auf und rüttelte am Fenster, das sich aber schon lange nicht mehr öffnen ließ.

„Verzeihung“, schmunzelte Herr Mephistopheles, „nur eine alte Gewohnheit.“

Keine Kommentare