Der steinige Weg zur Barrierefreiheit

4.5.2015, 21:00 Uhr
Der steinige Weg zur Barrierefreiheit

© Foto: Edgar Pfrogner

Klick-di-klickediklack, so klingt es es, wenn der Laie sich blind stellt und mit einem Blindenstock über das Kopfsteinpflaster des Grünen Marktes tastet. Der Langstock lässt sich praktischerweise zusammenklappen und reicht bei voller Länge vom Boden bis zum Herzen. Ein normaler Taststock dagegen reicht bis zur Hüfte. Gar nicht so einfach, mit geschlossenen Augen über den Platz zu wandern, ständig verfängt sich das Stabende in einer Fuge.

Stabbesitzer Frank Nohr verfügt nur noch über zwei Prozent Sehkraft. Damit gilt der ehemalige Postbeamte als blind. Wofür oder wogegen protestiert er? Nohr verweist zum Beispiel auf die sogenannten Leitstreifen am Bahnsteig, die zeigen, wo die Tür aufgeht. „Leider gibt es unterschiedliche Fahrzeugtypen mit unterschiedlichen Einstiegen und Treppen, da muss ich mich jedes Mal neu orientieren.“

Behindertenratsvorsitzender Siegfried Reimann freut sich, dass die Hinweise des Gremiums auf Missstände beim Fürther Stadtrat Gehör finden. Etwa im Hinblick auf den Zugang zum Hauptbahnhof, der jetzt barrierefrei ist, wenn plötzlich Behinderten-WC verschwinden oder demnächst zwei Parkplätze für Behinderte wegfallen, weil da das Erhard-Haus gebaut wird.

Roland Sperber, stellvertretender Behindertenratsvorsitzender, verweist auf die Kabelbrücken am Wochenmarkt, an denen Rollatoren gescheitert sind. Jetzt wurden sie hochgelegt. Und für den nächsten Erntedankfestzug habe man den Antrag gestellt, eine Tribüne extra für Gehbehinderte zu errichten.

Auch andere Barrieren gibt es zu überwinden, nämlich die der Gedanken- und Rücksichtslosigkeit. Ein Stapel Karten liegt auf dem Stand des Behindertenrates, auf jeder Karte prangt das Zeichen für „Absolutes Halteverbot“. Auf der Rückseite findet sich die Information: „Sie parken hier unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz. Das ist wenig rücksichtsvoll.“ Rücksichtsvoll ist immerhin der Hinweis, dass Bußgeld und Abschleppen ganz schön teuer kommen. „Diese Karten bringen wir demnächst in Umlauf, wann immer wir einen Falschparker entdecken“, kündigt Siegfried Reimann an.

Zur Zeit steuert der Behindertenrat der Stadt Fürth zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt, der VDK, dem BRK und dem Seniorenrat (die ebenfalls auf dem Grünen Markt ausstellten) den Inklusionsplan an: Ab Januar 2016 sollen in Fürth alle kritischen Verkehrsbereiche sowie der Zugang zu öffentlichen Gebäuden auf ihre Barrierefreiheit hin untersucht und gegebenenfalls protokolliert werden zwecks Verbesserung. „Da ist alles dabei“, zählen Sperber und Reimann auf, „Haltestellen, Spielplätze, Schulen, Kinos, Theater, Kindergärten, sie alle sollen barrierefrei werden.“

Wer wissen wollte, was die Zukunft für ihn bereithält, konnte sich auf dem Grünen Markt in einen Alterssimulationsanzug zwängen und über den Platz gehen. Eine getönte Brille sorgt für eingeschränkte Sicht und Farbstich, die Ohren nehmen nur noch verwaschene Geräusche wahr, Gewichte an den Arm- und Beingelenken verlangsamen die Bewegung. Man wird schneller müde, möchte bald eine Rast einlegen. Das Gemeinste aber ist das Prickeln an den Fingerspitzen, die von Stacheln in den Handschuhen herrühren. Die simulieren den Verfall des Tastsinns im Alter.

 

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