Die Engelswerkstatt in Veitsbronn

20.12.2016, 06:00 Uhr
Die Engelswerkstatt in Veitsbronn

© Foto: Claudia Wunder

Er glänzt und glitzert mit seinen Flügeln und dem Krönchen aus Goldfolie auf dem Kopf – und er gehört zu Weihnachten wie Lametta auf den Christbaum: der Rauschgoldengel. Was vielen nicht bekannt ist: Die original Nürnberger Rauschgoldengel werden in mühevoller Handarbeit in Veitsbronn hergestellt.

Ulrike Friemelts Mutter hatte den kleinen Engel eigentlich nur als Geschenk für eine Freundin gebastelt. Er stand auf ihrem Schreibtisch im väterlichen Betrieb für Karnevalsartikel, als ein Vertreter ihn erblickte und sofort nach dem Preis fragte.

Im Schabernack nannte sie ihm eine Zahl. Rund vier Wochen später stand eben jener Mann erneut vor ihr – und orderte 50 Stück. Das war kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs – und der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Denn noch heute fertigt eine Mitarbeiterin in Vollzeit während des ganzen Jahres in der Druckerei Pese – längst ist man aus dem Karnevalsgeschäft ausgestiegen – in Handarbeit die Rauschgoldengel. Zwölf bis dreizehn verschiedene Varianten hat Friemelt im Sortiment, „aber wir stellen sie auch ganz individuell nach Kundenwunsch her.“

Die Engelswerkstatt in Veitsbronn

© Foto: Claudia Wunder

Kurios fand Ulrike Friemelt etwa schwarze Engel, die aus den USA geordert wurden, oder einen Rauschgoldengel-Wunsch aus der Schweiz mit der Farb-Kombination pink-violett-rosa für das Gewand. „Aber der Kunde ist König“, lacht die 58-Jährige. Es wird gefertigt, wie gewünscht. Die Vorlagen für die himmlischen Wesen – original übrigens nur ohne Arme und mit Holzkopf – stammen aus dem Jahr 1920. „Früher war das Gewand aus Aluminiumfolie, die etwas gerauscht hat, wenn sie bewegt wurde, daher auch der Name“, erklärt Friemelt. Mittlerweile verwendet sie aluminiumkaschiertes Papier, das sie aus Fürth bezieht.

Was aber gleich geblieben ist, damals wie heute: „Es ist reine Handarbeit.“ Die einzelnen Teile eines Rauschgoldengels müssen in mühevoller Detailarbeit zugeschnitten, beklebt und gefaltet werden, je nach Variante erhält das Kleid eine Schürze in einem Stück oder mehrere Streifen in unterschiedlichen Breiten.

Hauptabnehmer der gut 1000 Rauschgoldengel, die jährlich in Veitsbronn hergestellt werden, sind Händler auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt. Aber auch bis Dänemark, Holland, Südafrika, in die USA und bis Australien hat Friemelt schon geliefert. Und freilich stehen auch in ihrem Wohnzimmer einige Engel, verrät die gelernte Industriekauffrau lächelnd.

Und ist das Weihnachtsfest vorbei, geht es im Prinzip nahtlos weiter: „Wir fangen spätestens im Februar an zu produzieren, denn ab September liefern wir schon wieder aus.“ Die Gefahr, dass die Tradition ausstirbt, besteht nicht: Tochter und Sohn werden das 1919 gegründete Unternehmen samt Rauschgoldengel-Produktion in vierter Generation weiterführen.

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