Die Filmstars von Veitsbronn erzählen

18.1.2018, 13:00 Uhr
Die Filmstars von Veitsbronn erzählen

© Peter Budig

Die Zenngrundhalle füllte sich am Abend rasch. Eingeladen hatte Igor Nimic, Leiter der Gemeindejugendarbeit und Regisseur des nunmehr dreiteiligen Dokumentarfilms. 180 meist Einheimische waren gekommen, um den Streifen zu sehen.

Im ersten Teil der Trilogie berichten ältere Dorfbewohner, die den Krieg noch erlebt haben; im zweiten stellen sich Handwerker und Betriebe vor. Für den dritten waren nun "Persönlichkeiten aus dem Dorfleben" gefragt, 20 Menschen, die alle zur Premiere geladen waren.

Die langjährige Leiterin der VHS Veitsbronn, Brigitte Stelkens, hatte sie vorgeschlagen, denn durch ihre Arbeit für die "Veitsbronner Spurensuche" kennt sie viele Einheimische und ihre Biografie. Christof Hirsch, Thomas Popp und Erwin Müdsam beispielsweise berichteten aus ihrem Sechs-Höfe-Weiler Kreppendorf.

Alle erinnern sich gut an das alte Wirtshaus "Vom Zenntal", viele Jahre war es ein beliebter Treff, ein Speise- und Brotzeitlokal. Ganz wichtig war es als Anlaufstelle für alle, die ein Telefongespräch zu führen hatten, denn hier stand der einzige Apparat weit und breit. Bauern, Handwerker und Jäger waren Stammgäste. "So hatten wir täglich unseren Bären, den die uns aufgebunden haben", erinnert sich im Film Erwin Müdsam lachend. Die Buben von einst, die heute Senioren sind, hatten ihren Spaß winters wie sommers in und auf der Zenn, beim Eislaufen und Baden.

Die jungen Filmautoren Vincent Bittner (Kamera), Jan Hummel (Musik) und Johannes Kronau (Sprecher), die nicht vollzählig bei der Vorführung dabei sein konnten, weil sie auswärts studieren oder arbeiten, halten die alten Geschichten mit einer digitalen Videokamera fest. So entsteht ein Dorfdokument in moderner Machart, die mit dem Inhalt des Erzählten viel stärker kontrastiert, als es eine geschriebene Chronik könnte. Ein bisschen zu kurz kommt, dass die Plätze des Geschehens, der Zenngrund oder das alte Wirtshaus, das seit 20 Jahren leer steht, kaum dokumentiert werden.

Manche Geschichten erzählen von Lebensumschwüngen und Strukturwandel. Die Hafners aus Raindorf mussten als junges Paar in den neunziger Jahren ihren kleinen Hof umwidmen, die Rinderzucht lohnte sich nicht mehr. Heute verdienen sie mit Pferden und einer Töpferei, wo auch Kurse angeboten werden, ihren Lebensunterhalt.

Auch Norbert Lux berichtet von solch einem beruflichen Radikalumbruch: Er war einer der ersten, die Reisen nach Australien und Neuseeland für Touristen organisierten, sogar einen Reiseführer hatte er geschrieben. Das Geschäft brach nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York über Nacht zusammen. Heute verdient Lux als Zertifizierungsberater seinen Lebensunterhalt. Doch bekannt geworden ist er wegen einer Liebhaberei: Auf seinem großen Grundstück züchtet er australische Zwergkängurus, Wallabys genannt, die mehrmals schon Schlagzeilen machten, als einzelne Tiere ausbüxten und in Frankens Wäldern und Wiesen für überraschende Begegnungen sorgten.

Stolz auf den Aufstieg

Die persönliche Lebenschronik als Teil der großen Zeitgeschichte: Davon kann Carlo Celotti berichten, der in den sechziger Jahren als einer der ersten Gastarbeiter in Deutschland ankam. "Ich war der einzige Süditaliener", erzählt er, "die anderen kamen aus dem Norden Italiens." Fast alle haben beim Betonwerk Hardege Arbeit gefunden. Mit berechtigtem Stolz zählt Celotti die Stationen seiner Karriere auf, wie er, zunächst ungelernt, immer mehr über Betonbau und Ziegelgewerke dazulernte und so zum Vorarbeiter aufstieg. Bis heute, seit über 40 Jahren, wohnt er in der alten Ziegelei, die längst kein Baumaterial mehr produziert.

Eine stattliche Gruppe längst im Dorf Angekommener sind die Flüchtlinge aus dem Sudetenland. Nach dem Krieg wies man ihnen – zwangsweise rekrutierte – Zimmer zu, und dennoch wurden sie meist freundlich aufgenommen. Es waren fleißige Leute, die gut in die Dorfgemeinschaft passten, die sich rasch umsahen, wo sie eine berufliche Zukunft finden könnten. Die Familie Plattich etwa hatte die Kenntnisse für eine Färberei und Wäscherei aus der Heimat mitgebracht und fing hier wieder ganz von vorne an.

Und auch so etwas gibt es auf dem Land: eine Dynastie der Mesner, der Pfarrhelfer als Erbberuf. Ein harter Job war das, für die ganze Familie Rottner. Im Morgengrauen musste die Kirche beheizt werden, und selbst an Heiligabend wurde das Familienfest auf den ersten Weihnachtstag verschoben. Der Vater hatte mit fünf Gottesdiensten in der Christnacht so viel zu tun, dass Rottners den eigenen Baum erst später schmücken konnten. Die Kinder hatten lange auf ihre Bescherung zu warten, erinnert sich Brigitte, die heute Gömmel heißt, an ihre Kindheit.

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