Die Flüchtlinge in den Zirndorfer Zelten frieren

29.10.2012, 11:00 Uhr
Die Flüchtlinge in den Zirndorfer Zelten frieren

© Hans Winckler

Von den ersten Regentropfen am Freitagnachmittag lassen sich die Menschen hinter dem hohen Stacheldrahtzaun noch nicht beirren. Erwachsene schlendern über das Gelände der ZAE, Kinder krakeelen, spielen Tischtennis, Fußball, Volleyball. Am Zaun vor der katholischen Kapelle, die längst zum Matratzenlager umfunktioniert wurde, hängt ein Wäschestück neben dem anderen: Babybodys, Hosen, Handtücher sollen trocknen. Aber wo? Drinnen ist es eng, draußen wird es jetzt nass.

Wie berichtet, leben seit Wochen doppelt so viele Asylbewerber in der ZAE, als diese fassen kann: An Spitzentagen waren es schon mal 1000 Personen statt 500. Als Notquartiere wurden Zelte aufgebaut und Garagen freigeräumt. Die Unterkünfte sind beheizt, trotzdem berichtet Flüchtlingsbetreuer Erwin Bartsch, dass die Menschen seit dem Wintereinbruch am Wochenende frieren. „Obwohl die dieselbetriebenen Heißluftgebläse rund um die Uhr brummen, entwischt die warme Luft sehr schnell aus den Gerüstzelten.“ Die Holzböden der Zelte böten keinen Schutz gegen die Kälte. Und kalt seien auch die mit PVC aufgehübschten Betonböden der Garagen. Neuankömmlinge fragen nach Hausschuhen für die Kinder, so Bartsch, und viele Zeltbewohner haben am Wochenende Unterschlupf in den festen Domizilen gesucht.

Beim Besuch der FN am Freitag hat ZAE-Leiter Werner Staritz angekündigt, am Montag werde eine weitere Doppelgarage ausgeräumt. Platz für wieder 30 Betten. Auch die Vorarbeiten für die mobilen Wohneinheiten sollen diese Woche beginnen, sagt Staritz am Freitag. Dabei öffnet er eines der Garagentore: Dreifachstockbetten reihen sich an der Wand, manche Pritschen sind frei, auf anderen liegen und sitzen Menschen. Niemand spricht. Ganz vorne gibt es, der kleine Luxus hier, ein Waschbecken. Eine Frau im T-Shirt putzt Zähne.

Wer einen Schlafplatz in einem der anderen Notquartiere hat, muss zum Zähneputzen weiter laufen. Ins Haupthaus, wo die alleinstehenden Männer untergebracht sind, oder in eins der zwei Familienhäuser mit den Bezeichnungen A und B. Wir betreten Block A. 15 bis 20 Personen teilen sich hier sonst ein Bad, erklärt Staritz. Mit den Bewohnern der Zelte, Garagen, der Kapelle und Cafeteria sind es mehr. Hinter der Tür mit der Aufschrift „BAD“ tut sich ein schmaler Raum auf: Auf vielleicht fünf Quadratmetern drängen sich Waschbecken, Dusche, Klo. Mauervorsprünge trennen das eine vom anderen ab. Bei Hochbetrieb bilden sich Warteschlangen, erklärt ein 62-jähriger Serbe in gebrochenem Deutsch: „Manchmal hier warten 30 Leute.“ Dass man auf der Toilette sitzt, während Fremde nebenan duschen und sich waschen, soll vorkommen, obwohl laut Staritz 14 bis 15 mobile, wenn auch unbeheizte Toilettenhäuschen auf dem Gelände aufgestellt wurden.

„Am obersten Limit“

Der ZAE-Chef sagt, man erwäge, beheizbare Sanitärcontainer anzuschaffen, ist aber noch nicht sicher, ob es dafür genügend Anschlüsse gibt. Ein weiteres Problem: Weil zu viele Menschen gleichzeitig sich waschen und duschen, bricht jetzt öfter die Warmwasserversorgung zusammen.

„Am obersten Limit“ ist laut Staritz seit Wochen auch das Küchenpersonal. Sonntags aber bleibt die Küche kalt, die Kantinenkräfte haben frei. Mit ausgeteilten Lebensmitteln versorgen sich die Flüchtlinge dann selbst. Immer wieder aber fehle dafür der Kochtopf, sagt Bartsch. Die evangelische Kirchengemeinde St. Rochus, wo der Flüchtlingsbetreuer Gemeindepädagoge ist, hat Wasserkocher und Thermoskannen gespendet, damit sich Kinder und Erwachsene mit heißem Tee aufwärmen können. Die Tassen werden laut Bartsch oft vor dem Zelt gespült, mit Wasser aus der Plastikflasche. Auch nach dem Gang ins Bau-WC reinigten viele ihre Hände bestenfalls mit Flaschenwasser. Bartsch findet das hygienisch bedenklich, er sieht eine steigende Infektionsgefahr und sorgt sich um die Gesundheit der Leute im Lager.

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