Die Logik dreht Pirouetten

2.12.2016, 12:00 Uhr
Die Logik dreht Pirouetten

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Niemand kann Horst Sakulowski vorwerfen, Zeitströmungen zu folgen oder gar modisch zu sein. Graphit-Zeichnungen hat der 73-Jährige mit nach Fürth gebracht und dabei offenbart er eine Meisterschaft, die großartig ist und eine Spur verwirrend. Scheinen seine Arbeiten, die jetzt im Foyer und in den Rängen des Stadttheaters hängen, doch auf den allerersten Blick aus einer anderen Zeit zu stammen. Ein Eindruck, der sich rasch relativiert. Denn die analytische Schärfe, mit der Sakulowski seine Objekte erfasst, ist ganz und gar im Hier und Heute verwurzelt.

Der Mann, der aus dem thüringischen Saalfeld stammt und in Weida lebt, bespielt ein weites Feld: Die Menschen und das Leben. Das große Ganze also. Seine Porträts sind realistisch und von derart entlarvender Intimität, dass den Betrachter ein leichtes Unwohlsein anfliegt, weil er den Dargestellten zwangsläufig extrem nah auf die Pelle rückt.

Sakulowski studierte in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. 1973 erregte er Aufmerksamkeit mit seinem „Porträt nach Dienst“, das eine Frau zeigt, die offensichtlich völlig erschöpft eingeschlafen ist. Keine Heldin der Arbeit und viel weniger noch ein Vorbild in der Bilderwelt des real existierenden DDR-Sozialismus. Die Freiheit, zu zeigen, was er sieht, hat sich Sakulowski seither immer wieder genommen.

Feinste Kunstfertigkeit

In direkter Foyer-Nachbarschaft gesellen sich Arbeiten von Kay Voigtmann zu der aktuellen Schau. Der 48-Jährige kam in Zeulenroda zur Welt und lebt in Gera, sein Studium absolvierte er wie Sakulowski an der Leipziger Hochschule. Zuvor musste Voigtmann eine ungeliebte Feinmechanikerlehre absolvieren. Geblieben, so scheint es, ist davon sein unverkennbarer Sinn für feinste Kunstfertigkeit. Seine kleinformatigen Arbeiten, die derzeit in Fürth gezeigt werden, komprimieren Details in verschwenderischer Vielfalt auf schmalem Raum. Wer sich darauf einlässt, wünscht sich bald, er hätte eine Lupe zur Hand, um nichts zu verpassen.

Voigtmann hat die Spur einer ganz neuen Spezies aufgenommen. Die Wesen, die in seinen Zeichnungen agieren, scheinen so absichtslos gestaltet zu sein wie die zufälligen Erscheinungen eines Rorschachtests. Doch ihre Unförmigkeit täuscht, völlig selbstverständlich funktionieren sie als Zweibeiner mit Hand und Fuß.

Wirklich verstörend ist bloß der Fakt, dass regelmäßig ein Wiedererkennen einsetzt, weil die Figuren in all ihrer Verschrobenheit menschliche Züge enthüllen. Selbstverständlich liegt dem ein gewisser Witz zugrunde. Doch komisch ist das nicht.

„Was glaubst du?“: Eine Ausstellung der Art-Agency Hammond im Stadttheater Fürth bis zum 17. Januar. Telefon (0911) 77 07 27 www.art-agency-hammond.de

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