Die Nacht der schreienden Krähen

26.8.2014, 10:30 Uhr

Braune Trachten-Pants sind der neueste Heuler eines Fürther Wäscheherstellers („Wir leben Lieblingswäsche“). Zwei aufgestickte Hirschhörner und ein verziertes Herzl prangen auf der Vorderseite, und die subtile Botschaft des Hosen-Zierwerks an die Damenwelt lautet vermutlich „Dienstag ist Familientag“ oder „O’zapft is’“. Vielleicht aber auch nur „Herzlichst, dein Hirsch“.

Mit einer chinesischen Unterhose verhält es sich ungleich komplizierter. Herr König aus Berlin hat Herrenshorts „Made in China“ gekauft und ist mit ihnen sogleich zur Berliner Zeitung marschiert. Warum? In einer der Shorts lag ein handgeschriebener Zettel mit hingekritzelten Schriftzeichen. Chinesisch. Der Hilferuf eines ausgebeuteten Arbeiters? Nachricht eines Nähers, der seine Lieblingswäsche nicht lebt? Die Redaktion rief einen Übersetzer um Hilfe, nun stellt sich heraus: In dem Unterhöschen ruht ein Gedicht des adligen Lyrikers Li Yu, der um 960 lebte. Und es geht so: Die Krähe schreit in der Nacht/Die rosige Farbe des Frühlings schwindet aus den Waldblumen/Es eilt, es eilt/Wie können sie den kalten Tau am Morgen ertragen/und die Winde am Mittag.

Eine Unterhose mit recht melancholischem Text, finden wir. Winde am Mittag — das kommt in manchen Shorts vor. Schreiende Krähen eher selten. Guter Näher, was könnte dich heiter stimmen? Ein Oktoberfestbesuch?

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