Die Schöpfung aus junger Sicht

19.10.2014, 21:00 Uhr
Die Schöpfung aus junger Sicht

© Foto: Edgar Pfrogner

Am Anfang war . . . die Kirchweih. Doch vor der Kirchweih war noch etwas. Das Bier, das erst gebraut, die Wurst, die erst gebraten, das Karussell, das erst aufgebaut werden muss. Und natürlich die Kirche, zwecks Weihe. Und was war davor? Wie hat das alles überhaupt angefangen?

Fragen, über die sich schon unsere Vorväter in der Steinzeit den Kopf zerbrachen. Auch die Bibel beginnt mit der Erschaffung der Welt. Immer paarweise. Also Himmel und Erde, Licht und Finsternis, Land und Meer, Gras und Kraut, Sonne und Mond, Fische und Vögel, Getier und Gewürm, Mann und Weib. Und dann? Erst mal ausruhen.

Generationen von Malern, Illustratoren und auch Bildhauern hat der knappe und doch so ausdrucksstarke Schöpfungsbericht der Genesis inspiriert. Kursleiterin Verena Waffek und ihre Kolleginnen Jutta Müller und Kerstin Weitas-Schicker hatten zur Inspiration einige Exemplare an die Wand geheftet: von mittelalterlicher Buchmalerei über William Blake bis zu Fotografien von Sternennebeln und Graphiken, die den Urknall versinnbildlichen.

„Am Anfang war . . .“ ja, was nun? Zehn Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren stellten sich im August der Aufgabe, die Erschaffung der Welt aus ihrer Sicht darzustellen. Und zwar in Gestalt eines Buchs, genauer, eines Leporellos, das sich wie eine Ziehharmonika entfaltet.

Das Papier ist wahlweise weiß oder schwarz, wobei schwarz sich für den Weltraum ganz hervorragend eignet. Auf der Vorderseite befinden sich die sieben Schöpfungstage, auf der Rückseite Bilder aus dem Privatleben oder der eigenen Fantasie. Buchdeckel und -rücken zieren jeweils ein Porträtfoto des jungen Autors von vorne und von hinten. Genauer: der Autorin, denn Mädchen sind in der Buchwerkstatt eindeutig in der Überzahl.

Zwei Ausreißer

Die meisten jungen Künstler orientieren sich am ersten Kapitel der Genesis, zwei Ausreißer gibt es: Luise (neun Jahre) sieht die Schöpfungsgeschichte als einen langen Ast mit Vogelnestern, auf dem die Vögel heranwachsen und sich in die Lüfte erheben. Die zehnjährige Leonie bevorzugt die naturwissenschaftliche Sicht, freilich auf hochpoetische Weise. Auf schwarzem Papier materialisiert sich eine blaue Gaswolke wie eine Qualle aus der Tiefsee, es folgt der Urknall mit einer Struktur wie ein Spinnennetz. Dann fügen sich die Erdteile zur Erdkugel zusammen, Sonne und Mond (mit Sonnenbrille) treten hinzu, hernach die restlichen Planeten. Ein weiteres Mädchen verwendet winzige glänzende Strasssplitter für die Sterne, aber auch für die Regentropfen.

Simon erzählt seine Weltgeschichte, indem er sieben kreisrunde Stücke weißen Papiers ins schwarze Leporello klebt und diese stückweise ausmalt. Natürlich schweben auch die Planeten in der Schwärze daneben. „Am liebsten habe ich den dritten Tag, da ist der Saturn mit drauf“, erzählt Simon. „Die Sonne leuchtet bei mir schon am zweiten Tag, dabei erscheint die doch erst am vierten.“ Macht nichts, ganz am Anfang war das Licht, und das muss ja von irgendwoher kommen.

Ist das nun einfach nur herzige, kindlich naive Malerei, die man mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nimmt? Manch kindlicher Scharfblick zieht treffende Parallelen zwischen Natur und Psychologie. So widmet ein Mädchen die Darstellung von Sonne und Mond ihrem Papa, „weil mein Vater so schnell seine Stimmung ändern kann und die Stimmungen so unterschiedlich sein können wie Sonne und Mond“. Und auch der Ruhetag wird ernst genommen. Simon zeichnet drei schlummernde Engel mit ausgebreiteten Flügeln. Bei Lena hingegen schnarcht der liebe Gott in der Hängematte.

Ausstellung der Buchwerkstatt bis 12. Dezember im Workshop-Raum des Jüdischen Museums

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