Die Stadt darf Daten ihrer Bürger herausgeben

19.8.2017, 10:00 Uhr
Die Stadt darf Daten ihrer Bürger herausgeben

© Foto: Axel Heimken/dpa

Im Gespräch mit den FN zeigte sich die Empfängerin des Briefs verärgert und sie stellte klar: Es gehe ihr nicht um die Studie als solche. Schließlich könne jeder Adressat selbst entscheiden, ob er mitmachen möchte oder nicht. Aufgestoßen sei ihr vielmehr der Hinweis: "Über das Register des Einwohnermeldeamts haben wir Fürther Adressen von Bürgern über 70 Jahren erhalten. . ." "Wie kommt die Stadt Fürth dazu, Adressen herauszugeben", wollte die Frau nun wissen, "noch dazu mit Alterseinschränkung?" Nach ihrem Eindruck ein Verstoß gegen den Datenschutz.

Ist es aber nicht. Rainer Baier, Chef des Fürther Bürgeramts, verweist auf das Bundesmeldegesetz. Danach sind so genannte Gruppenauskünfte zulässig, wenn sie von öffentlichem Interesse sind. Es muss etwa um öffentliche Planungsvorhaben gehen, wissenschaftliche Forschungsprojekte, die Arbeit karitativer Organisationen (Details in der Info-Box nebenan).

Als Sonderfall der Gruppenauskunft gelten laut Baier Auskünfte an Parteien und Wählergruppen. In den sechs Monaten vor einer Wahl haben auch diese das Recht auf Informationen aus dem Melderegister. Das eröffne ihnen die Chance beispielsweise gezielt Jungwähler anzusprechen und die Altersgruppe einzuengen auf 18- bis 24-Jährige.

Allzu häufig werden Gruppenauskünfte in Fürth nicht angefordert. Baier spricht von sieben bis zehn Fällen pro Jahr. Und wenn den Kollegen ein Anliegen suspekt erscheint, sagt er, nehmen sie den Antragsteller auch genauer unter die Lupe.

Der ist im konkreten Fall gewiss über jeden Zweifel erhaben. Das Institut für Biomedizin des Alterns (IBA) unter der Leitung von Prof. Dr. Cornel Sieber arbeitet, wie berichtet, mit der SPRINT-T-Studie an Europas größtem Forschungsprojekt auf dem Gebiet der Altersmedizin. Experten aus neun europäischen Ländern sind daran beteiligt, 1500 Senioren sollen insgesamt mitmachen. Die Kernfragen lauten: Was kann man tun, um auch im hohen Alter leistungsfähig zu bleiben? Wie kann man den Verlust von Kraft, Mobilität oder Beweglichkeit aufhalten und sogar rückgängig machen?

Privatdozentin Dr. Ellen Freiberger leitet die Studie und erklärt, in diesem Fall sei die Rekrutierung möglicher Teilnehmer über direkte Anschreiben besonders wichtig, weil sich über Medienaufrufe, die es dazu auch schon gab, für gewöhnlich die fitteren Senioren melden. "Hier sprechen wir aber gezielt den eingeschränkten älteren Menschen an."

Gemeint sind Leute, die zu Hause wohnen und spüren, dass ihnen beispielsweise das Treppensteigen zunehmend schwer fällt und/oder sie immer mehr Mühe haben, sich aus einem Sessel zu erheben. Die Beschaffung von Daten über Einwohnerämter, der die Ethikkommission der Uni laut Freiberger im Übrigen zugestimmt haben muss, sei somit "ein wichtiger Weg, um an die richtige Zielgruppe heranzukommen".

20 000 Briefe hat das Institut für Biomedizin laut Freiberger in Nürnberg und Fürth verschickt. 107 Teilnehmer wurden bereits gefunden, 120 sollen es vor Ort werden. Freiberger erklärt, wer sich im Einwohneramt einer Stadt registrieren lasse, könne einen Passus ankreuzen, der die Weitergabe der eigenen Daten verhindert. Zugleich aber bittet sie um Verständnis für die Wissenschaft. Denn: "Wenn wir Alterungsprozesse verstehen wollen, brauchen wir natürlich auch eine Forschung dazu."

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