Die Vermessung des Raumes

25.1.2013, 11:04 Uhr
Die Vermessung des Raumes

© Günter Distler

Es klappt nicht ganz, und dennoch orientieren wir uns nach einem Weltbild, das – je nach Standort – unterschiedlich zentriert ist. Jede Nachrichtensendung bringt den Beleg: Europäer erblicken Europa im Mittelpunkt ihres Weltbildes, wogegen Amerikaner ihren Kontinent im Mittelpunkt der Weltkarte bewundern. Grund: die Mercatorsche Projektion betont stets den Mittepunkt seiner Fläche zu Ungunsten der Randbezirke.

Diesem ewigen mathematisch-ästhetischen Ärgernis widmet Matthias Ströckel in der Galerie Pinder Park in Zirndorf eine Ausstellung: „Three Dimensions fixing the World“. Seine erste Zeichnung macht den Betrachter mit diversen Projektionen vertraut: Kreis, überschneidende Kreise, Herz, Mantel, Hoch- und Breit-Ellipse, Rechteck und sogar Stern.

Sein „Endlicher Vektorraum“ bietet eine Breitwand-Projektion, wie wir sie alle aus unserem Schulatlas kennen: eine imaginäre Erde, doch statt Kontinenten und Gebirgen strukturieren Punkte und Kringelschlaufen die Fläche. Ein Gitternetz aus Längen- und Breitengraden fehlt, an seine Stelle treten willkürlich verstreut anmutende Geraden, die jeweils zwei Punkte miteinander verbinden. Des Rätsels Lösung: Matthias Ströckel lässt einen echten Kreisel mit einer Mine in seiner Spitze über das Papier tanzen und verbindet Anfangs- und Endpunkte durch eine Linie.

Die Raumvermessung versucht sich nicht allein an der Kugelgestalt der Erde, sondern genauso an der Sphärengestalt des Himmels. Eine Darstellung von Nord- und Südhimmel aus dem Jahre 1916 kombiniert Ströckel mit einem etwa zur selben Zeit entstandenen Unsinnstext von Marcel Duchamp. Der englische Text ist zwar grammatikalisch richtig, liest sich aber, als hätte Lewis Carroll zu viel Laudanum genascht; überdies fehlen sämtliche Artikel, die dafür durch Sternchen ersetzt werden. Ebendiese Sternchen verbindet Ströckel mit Strichen und konstruiert so ein Sternzeichen, was wiederum zum Vergleich mit den Sternzeichen des Himmelsatlas einlädt.

Und wo wir schon beim Atlas sind: Den hat Matthias Ströckel auch konstruiert. Eine Pappfigur, aus zweidimensionalen Gliedmaßen zusammengebosselt – die Kartonagen stammen aus dem Schulatlas – trägt eine Erdkugel aus dem Paralleluniversum auf den Schultern. Diese Kugel besteht ihrerseits aus mehreren Schichten von Seiten aus dem Schulatlas. So durchdringen sich Vertrautes und völlig Fremdes.

Zuletzt beamt ein „Tripod“ – ein Dreifuß – per Licht die Zeilen des Ausstellungstitels an die Wand: „Three Dimensions fixing the World“. Drei Dimensionen reichen nicht aus, um die Welt zu erfassen, dazu braucht es die vierte Dimension, die Zeit, die Bewegung durch den Raum erst möglich macht. Hier also in Lichtgeschwindigkeit.

Zum Schluss erhalten wir Nachhilfe in Englisch: „Das Wort ,Fixing’ bedeutet nicht nur ,festnageln’ sondern auch ,manipulieren’“, erklärt uns der Künstler. Und Manipulation war schon immer eine besondere Vorliebe der Politiker und Kartographen, die im 18. und 19. Jahrhundert ihre Kolonien nach diversen Längen- und Breitengraden zuschneiderten.

Bis 10. März in der Ladenpassage, Pinderpark 7, Zirndorf. Do und Fr von 15-17 Uhr, Sa 11-13 Uhr und auf Anfrage: Tel. (0911) 962630.

 

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