Die zarteste Schlussakkord-Versuchung

23.2.2017, 14:00 Uhr
Die zarteste Schlussakkord-Versuchung

© Foto: Jin-Ho Park

War es die Grippewelle? Oder wäre ein Abend mit Werken von Haydn, Mozart und Schubert zugkräftiger gewesen als ein Programm, in dem Beethoven von Webern und Schostakowitsch in die Zange genommen wurde? Sehr schütter besetzt waren die Reihen jedenfalls an jenem Dienstagabend, der abermals bewies: Kammermusik ist und bleibt ein heikles Feld für Veranstalter. Doch auch, wenn es schon etwas abgedroschen klingt: Wer beim Auftritt des Novus String Quartet nicht dabei war, hat etwas Großartiges versäumt.

Was macht das Spiel der vier Koreaner zum besonderen Erlebnis? Dass man bei einem international agierenden Ensemble technische Perfektion voraussetzen darf, ist wohl selbstverständlich. Die Mitglieder dieses mehrfach preisgekrönten Streichquartetts, das 2007 in Seoul gegründet wurde und das sein Handwerk von 2011 bis 2015 an den Musikhochschulen in München und Lübeck vergoldete, verfügen über eine exzellente Homogenität auf höchstem Niveau, servieren faszinierende Klangschönheit im Pianissimo ebenso wie im ausladenden Fortissimo und verfügen bei Tempowechseln und Klangsteigerungen über ein Ausdrucksvermögen wie aus einem Guss. Ein im zartesten Pianissimo ausgehaltener Schlussakkord erhält hier noch eine Spannung, die dem nach Sekunden einsetzenden Beifall Einhalt zu gebieten scheint. Atemberaubend.

Anton Weberns "Langsamen Satz für Streichquartett" aus dem Jahr 1905, mit dem das Konzert startete, gestalten Jaeyoung Kim, Young-Uk Kim (Violinen), Seungwon Lee (Viola) und Woongwhee Moon (Violoncello) mit großer Geste und innerer Ruhe. Furios, fast bizarr beginnt unisono Ludwig van Beethovens Kopfsatz des f-Moll-Streichquartetts Nr. 11 mit dem Beinamen "Quartetto serioso". Anstelle des üblichen langsamen Satzes folgt ein Allegretto, das melodischen Glanz verbreitet, attacca schließt sich ein Allegro assai mit brillant gespieltem Trio an, ehe im Finale auf eine geheimnisvolle Larghetto-Einleitung ein Allegretto agitato folgt, das die Novus-Leute irrwitzig perfekt darbieten

Nach der Pause Dimitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 3 F-Dur, auch diesem Werk bleiben die Koreaner nichts schuldig. Rhythmische Finesse, temperamentvolle Ausbrüche, tänzerisch-ironischer Schwung. Ein wundervoller Ruhepunkt ist das Adagio espressivo, das ohne die 1. Violine feierlich angestimmt wird. Die hebt dann allerdings mit ihrem innigen Gesang an — Ausdruckskunst pur. Begeisterter Beifall und eine Zugabe, wie sie stimmiger nicht sein könnte, ein koreanisches Volkslied voller makelloser Klangschönheit. Phänomenal.

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