Digitalisierungsoffensive fordert den Staat

26.2.2018, 21:00 Uhr
Digitalisierungsoffensive fordert den Staat

© Foto: Ingo Wagner/dpa

"Das Kreidezeitalter ist vorbei", gern bedient sich Fürths Oberbürgermeister und stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Städtetages Thomas Jung dieses Bildes. Will Bayern den Anschluss im internationalen Vergleich nicht verlieren, dann wird nicht mehr über Kreidetafeln oder Kupferkabel gesprochen. Davon zeigen sich die Vertreter des Städtetags überzeugt. "Wir brauchen leistungsfähige Glasfaserverbindungen, damit in jedem Klassenzimmer Bayerns zeitgleich am PC gearbeitet werden kann."

Bevor man über Medienentwicklungspläne und Förderprogramme spreche, müsse an den Schulen Klarheit über die praktische Umsetzung des digitalen Klassenzimmers herrschen. "Was sind die Standards, wo die Schnittstellen?", fragt Jung und fordert von Seiten des Bayerischen Städtetags als kommunalem Verband ein schlüssiges Gesamtkonzept.

Mittel reichen nicht

Wohl wissend, dass die IT-Ausstattung ständiger Erneuerung unterliegt und Betreuung und Wissensvermittlung geschultes Personal benötigen, verweist Jung auf den bayerischen Nachtragshaushalt 2018. Die darin vorgesehenen Mittel würden nicht ausreichen. "160 Millionen Euro für die Digitalisierung der bayerischen Klassenzimmer sind viel zu wenig", betont der Fürther Rathauschef und rechnet den Bedarf seiner Stadt – "ich gehe von rund zehn Millionen Euro aus" – auf den des Freistaats hoch: "Da sind wir bei rund einer Milliarde."

Um größere Summen wird es wohl auch bei der Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern gehen. Laut Koalitionsvertrag sollen Eltern bis 2025 darauf rechtlichen Anspruch haben. "Wieder wird den Kommunen eine Aufgabe ohne auskömmliche Finanzausstattung zugewiesen", kritisiert Florian Janik. In Cadolzburg vertritt der Erlanger OB die kreisfreien Verbandsmitglieder im Bezirk. Immerhin will der Bund die Investitionen in Ganztagsschul- und Betreuungsangebote mit zwei Milliarden auf den Weg bringen. Doch Janik und Jung bezweifeln, dass das reichen wird.

Bund und Freistaat machten es sich zu einfach, lautet das einhellige Urteil. Die Praxis der Ganztagsbetreuung könne nicht nur in den Gemeinden und Städten abgehandelt werden. "Das Ziel der Ganztagsbetreuung ist richtig und zeitgemäß", sagt Thomas Jung, verwehrt sich aber gegen die "oben" oft gezeigte Einstellung: "Wir formulieren das Ziel und ihr Gemeinden, ihr macht das schon".

Auch hier drängt die eindringliche Forderung des Bayerischen Städtetages nach einem schlüssigen Gesamtkonzept. Jung spricht unter anderem die baulichen Veränderungen der Schulen an, den Bedarf an pädagogischem Personal, das auch in Ferienzeiten Betreuung übernehmen kann.

"Meine Idealvorstellung:", beschreibt Jung den Schulalltag der Zukunft, "die Ganztagsbetreuung wird in den Schulbetrieb integriert". Kinder bräuchten doch den Wechsel zwischen Spiel und Unterricht und nicht den zwischen Gebäuden und vereinzelten Betreuungsangeboten.

Struktur und Überblick beim Gesamtkonzept, Einfallsreichtum bei der Umsetzung in den Kommunen, alles gut und schön, meint Bernd Obst, Rathauschef in Cadolzburg. Der Gastgeber der Bezirksversammlung des Bayerischen Städtetags hat aber ein ganz anderes Problem auf dem Radar: "Woher das Personal nehmen?" Der Markt sei leergefegt, nicht nur in den Ballungsräumen. Auch in seiner Gemeinde sei das spürbar. "Findet das auch in den Konzepten zur Ganztagsbetreuung Niederschlag?", fragt der Cadolzburger nach.

Mit dem rechtlichen Anspruch auf einen Ganztagsplatz an Grundschulen werden Erwartungen geweckt. Die Bürgermeister malen sich schon jetzt das Szenario aus, wenn die Betreuung zum Stichtag nicht klappen sollte: "Dann stehen die Eltern bei uns auf der Matte."

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