Doppelminister: Warum Schmidt das wuppen kann

29.10.2017, 10:00 Uhr
Doppelminister: Warum Schmidt das wuppen kann

© Foto: Kay Nietfeld/dpa

Wäre so ein Ressort ohne Minister wirklich kopflos?

Harald Baumer: Nicht im Geringsten! Es gibt eine klare Hierarchie mit den beamteten Staatssekretären an der Spitze. Das Alltagsgeschäfts funktioniert auch komplett ohne Minister. So, wie das wahrscheinlich in jeder Firma auch der Fall ist. Schwierig wird es im Ministerium allerdings dann, wenn eine grundlegende politische Entscheidung getroffen werden muss. Dafür sind nämlich Beamte und Angestellte schlichtweg nicht zuständig.

Schmidt sitzt ja als Doppelminister auch mit am Jamaika-Tisch. Eine Dreifachbelastung, wenn man so will. Wie lässt sich erklären, dass der eine das schafft, der andere aber nicht? Und: Bräuchte die Kanzlerin dann nicht auch einen Ersatzmann/eine Ersatzfrau?

Baumer: In gewisser Weise ist es tatsächlich eine Dreifachbelastung, wenn man zwei Ministerien leitet und als Unterhändler in Koalitionsgesprächen sitzt. Nur muss man dazu auch wissen: Große Projekte gibt es in der Regierung derzeit sowieso nicht, denn sie ist ja bis zur nächsten Kabinettsbildung lediglich geschäftsführend tätig. Deswegen ist eine solche Zusatzbelastung für den Betroffenen durchaus auszuhalten. Das hätte im Prinzip auch für Alexander Dobrindt gegolten. Bei ihm gibt es einen anderen, weit wichtigeren Grund für den Verzicht auf das Ministeramt, auf den wir gleich noch zu sprechen kommen.

Und die Kanzlerin braucht keinen Ersatzmann oder keine Ersatzfrau. Sie spielt sowieso in einer ganz anderen Liga. Sie muss alles aushalten können — gleichzeitig Abgeordnete, Partei- und Regierungschefin zu sein, sich in Konferenzen mit Trump und Putin herumzuärgern und sich bei öffentlichen Veranstaltungen als "Volksverräterin" beschimpfen zu lassen.

Wieso legen jetzt, nach der Wahl und vor der Bildung einer neuen Regierung, manche Minister ihre Ämter nieder und andere nicht?

Baumer: Wer einen anderen, bezahlten Posten übernimmt, der muss ohnehin aussteigen. Das verträgt sich nicht mit dem Ministeramt. Das war beim jetzigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (Ex-Finanzminister) und bei der jetzigen SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles (Ex-Arbeitsministerin) der Fall. Darüber hinaus gibt es noch den Grund der Gewaltenteilung bzw. der politischen Hygiene: Der Bundestag kontrolliert die Regierung. Es wäre demnach höchst seltsam, wenn ein Mensch mit einem hohen Fraktionsamt (wie Alexander Dobrindt als Landesgruppenchef) sich als Verkehrsminister gleichzeitig selbst überwachen müsste. Deswegen war es überfällig, dass er sein Ressort abgab. Das hätte er besser gleich nach seiner Wahl zum Landesgruppenchef getan.

Dürfen Minister derselben Partei ihre Ministerämter untereinander hin- und herschieben?

Baumer: Es handelt sich weniger um ein Hin- und Herschieben, sondern darum, dass beim langfristigen (dauerhaften) Ausfall eines Ministers eine Vertretungslösung geschaffen werden muss. Selbst wenn die anfallenden Entscheidungen von den Fachleuten "mundgerecht" vorbereitet werden, braucht es jemanden, der seine Unterschrift darunter setzt.

Sigmar Gabriel beispielsweise hätte nach der Wahlschlappe seiner Partei doch allen Grund, sein Ministeramt direkt abzugeben. . .

Baumer: Dass SPD-Minister wie Sigmar Gabriel und Heiko Maas noch geschäftsführend tätig sind, macht ihnen selbst wohl am wenigsten Spaß. Denn sie können politisch kaum noch etwas voranbringen, sind "lahme Enten" und müssen gleichzeitig mit anschauen, wie die anderen über ihre künftige Koalition verhandeln. Aber so ist es nun einfach mal: Deutschland braucht jederzeit eine Regierung mit Ministern. Wenn die Jamaika-Partner noch zwei Monate verhandeln, dann werden Sozialdemokraten so lange im Amt bleiben.

Ist davon auszugehen, dass ein Doppelminister Schmidt vorübergehend auch doppelt bezahlt wird?

Baumer: Meines Wissens gibt es für die vertretungsweise Übernahme eines zusätzlichen Ministeriums keinen Cent für den betroffenen Minister. Es erhält ja auch niemand mehr Geld, weil sein Ressort aus mehreren, vormals getrennten Fachgebieten besteht, Umwelt und Bauen etwa.

Was erfordert mehr Konzentration, ein Ministeramt oder eine Aufgabe als Quasi-Fraktionsführer wie sie nun Dobrindt für die CSU im Bundestag übernimmt?

Baumer: Im politischen Vollbetrieb — den wir wie gerade erwähnt, momentan nicht haben — schenken sich diese Ämter meines Erachtens nichts. Da ist die Amtsinhaberin bzw. der Amtsinhaber in der Regel zehn bis 14 Stunden am Tag unterwegs. Und überall ist eine ähnliche Konzentration erforderlich. Der wesentliche Unterschied: Ein Fraktionschef muss mehr ein Generalist sein, der sich in allen politischen Themen ähnlich gut auskennt, während der Minister sich klar auf seinen Fachbereich konzentrieren darf. Außerdem ist beim Minister die Außenwirkung sehr viel wichtiger als bei einem Fraktionschef.

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