Draußen vor der Gartentür

2.2.2017, 15:00 Uhr
Draußen vor der Gartentür

© Foto: Hans Winckler

Kommt ein Zehnjähriger in die Kunstschule - nein, so beginnt kein Witz, sondern so begann der unaufhaltsame Aufstieg des Pablo Picasso. In La Coruña platzen sie noch heute vor Stolz, dass der Bub ihre Schule der Bildenden Künste besuchte und rasch erahnen ließ, was aus ihm werden sollte. Beflügelnd, aber auch beschwerlich kann es sein, Ähnliches am selben Ort zu wagen. Ein Komponist aus Bayreuth, ein Dichter aus Weimar 2017 – im Glücksfall wird ihnen nachsichtiges Schmunzeln zuteil und mitleidige Milde von der Floskelsorte „große Fußstapfen“.

Nun ist Carmen Chacón beileibe nicht Picasso zwo, doch mit zwei Beinen steht sie fest in der Kunstlandschaft ihres Heimatlandes. In La Coruña, der Schönen am rauen Atlantik, kam sie 1954 zur Welt; Gender und Feminismus sind ihre Themen, was sie will, weiß sie nur zu genau — und was sie kann, weiß ein Publikum, das sie in über 30 Einzelausstellungen auf der iberischen Halbinsel sowie in mehr als 80 Gruppenschauen unter anderem in Madrid, Barcelona, Gent und Köln zum Staunen brachte.

Nicht zwangsläufig führt deshalb der Weg nach Fürth. Zunächst führte Thomas und Kerstin Foersters Weg nach Südspanien. Mit einer Ausstellung eigener Werke war das Fürther Galeristenduo — im kommenden Jahr feiert die Foerstermühle 40 Jubiläumsjahre — im vergangenen Herbst in Estepona vertreten, was einer der Gründe war, warum am heimischen Schauplatz seit Ende September keine Kunst ausgestellt wurde. Bei der (deutschen) Gastgeberin stieß Thomas Foerster auf Arbeiten Carmen Chacóns; rasch war ein Kontakt hergestellt, und nicht minder rasch kam die Zusage der Malerin, Fotografin, Video- und Installationskünstlerin.

Betreten verboten

Leicht hat man es mit ihr nicht. Mit C.G. Jungs legendärer Archetypen-Psychologie hat sie sich eingehend befasst, auf Jung bezieht sich auch der mehr als kryptische Titel der Fürther Schau. „Women contemplating the garden of the Symposion“ ist als kämpferisches Statement gedacht gegen die Ausgrenzung von Frauen von gesellschaftlichen Diskursen, gegen den Ausschluss von Diskutantinnen, die den sprichwörtlichen Garten nicht betreten dürfen. Doch mit derlei Rätsel-Entschlüsselungsmühsal kommt der Betrachter beim besten Willen nicht weiter, Chacóns malerisches Werk — zum Ausstellen wenigstens einer Installation ließ sie sich nicht überreden — erschließt sich auch ohne wuchtigen theoretischen Überbau.

Auffallend ist der Strich völlig wider jegliches Spanien-Klischee. Da erwartet man doch vielleicht Farben, die die Sonne geküsst hat, Sommerstimmungen, Kunst mit Urlauberrabatt. Nichts dergleichen bei Carmen Chacón, der alles Anbiedernde spürbar zuwider ist. Mit Öl macht sie sich ans äußerst flüssige Werk und kreiert dabei informelle Gebilde, die an einem völlig verregneten Herbsttag im Wald entstanden sein könnten. Düstere, triste Farben schickt die Künstlerin auf die Reise. Das sieht auf den ersten Blick nach Schmuddelchaos ohne Haltepunkt und Sinn-Koordinaten aus, der zweite aber offenbart, was da absolut geplant und durchdacht vor sich geht.

Auf einer einzigen Fläche lässt Chacón in ihren Tryptichen, Mittel- und Kleinstformaten hier grafische, dort pointillistische Elemente aufploppen, eine Ordnung in der scheinbaren Unordnung entsteht; selbst die südwärts laufenden Farbschlieren erwecken den Eindruck, einem präzisen Plan zu folgen. Und dann gibt dieser „Garten“ doch, gleichsam als Botschaft der Freiheit, Schönheit und Liebe, optimistischere Farben frei. Sie vertreiben die Schatten nicht, aber sie existieren.

Siehe „Fürther Kunststücke“ auf dieser Seite.

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