Drei Berliner Liedermacher bespielten die Kofferfabrik

23.5.2016, 15:00 Uhr
Drei Berliner Liedermacher bespielten die Kofferfabrik

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Vorab: Wer bei gutem Wetter Speis’ und Trank frönt, mit Kumpels plaudert oder mit der Freundin poussiert, vielleicht schon den Nachwuchs im Auge behält oder lieber den Blick auf Pirsch schickt, der hört nur mit halbem Ohr zu. Das wissen die Jungbarden aus Berlin auch.

Dennoch stellen sich Markus Sommer, William Wormser und Romano Licker fest entschlossen auf die Minibühne im Hof, mit nichts anderem ausgerüstet als mit Klampfe, leiser E-Gitarre und einer Klarinette. Sowie ihren Stimmen und Texten. Mal solo, mal im Duett, gelegentlich auch zu dritt, in bunter Reihenfolge und Zusammenstellung absolvieren sie ihre Auftritte.

Alle drei bevorzugen Deutsch als Sangessprache. Und da gibt es schon die ersten Irritationen, die ersten Aufmerksamkeiten, die zum genaueren Hinhören verlocken. So spekuliert William Wormser über die Wiedergeburt, etwa als Einzellermikrobe oder gar als Tintenfisch. Oder über die krasse Distanz der Epochen. So hat Jimi Hendrix nie den Techno kennengelernt und Casanova nie den Gummi. Oder über die Rache des einstigen braven Schulbuben, der als Unternehmer seine früheren Peiniger in die Gosse stößt.

Das alles kommt mit einem nonchalanten Unernst daher. Politische Emphase, große Gefühle, hehre Absichten, ätzender Spott? Die sind passé, heute dominieren ein eher kindliches Staunen über die Unbegreiflichkeiten dieser Welt sowie Betrachtungen, wie man sie vielleicht nach drei Stunden an der Shisha entwickelt.

Einsam in der Großstadt

Tatsächlich befleißigen sich alle drei einer gewissen Unernsthaftigkeit als Prinzip, ohne dabei aber als pure Faxenmacher dazustehen. Denn dazu handeln die täuschend simplen Texte doch wieder von Lebensgefühlen, die jeder durchgemacht hat. Von der Einsamkeit in der Großstadt, der Verlorenheit in der Masse, der alle Freude aufzehrenden Melancholie. Nur kommt dies ohne Larmoyanz daher.

Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, schreckt William Wormser nicht einmal vor seiner Version von Pink Floyds „Wish you were here“ zurück. Was vor 40 Jahren Schauer der Ehrfurcht über den Buckel jagte und längst zum Fußgängerzonengassenhauer degeneriert ist, auf einer Linie mit Schuberts „Ave Maria“, das feiert im Hof der Kofferfabrik fröhliche Wiederauferstehung. Ja da ist es wieder, dieses tränenselige Gefühl, das den Knoten im Bauch löst.

Und musikalisch? Vom beherzten Schrammelstil der Kollegen hebt sich Markus Sommer mit seinem beseelten melodiösen Gitarrenspiel ab, dafür legt Romano Licker die glühendste Leidenschaft in seine Stimme. Eine Leidenschaft, die eigentlich wieder im Gegensatz zum Unernst der Texte steht. Aber, verdammt nochmal, es geht ja schließlich ums wahre Leben, da hilft Spott allein auch nicht weiter. Sondern vielleicht die Seelenverwandtschaft zwischen Mensch und Ding. Etwa, wenn Wormser sich nur in einem Stuhl richtig zu Hause fühlt, der schon die Sorgen und Nöte zahlloser Vorgänger in seinem Holz aufgesogen hat. Nicht lustig, aber tröstlich.

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