Drei Schwestern auf der kreativen Spur

13.9.2012, 10:30 Uhr
Drei Schwestern auf der kreativen Spur

© Thomas Scherer

Bei welcher Musik man besonders kreativ sein kann? „Funk, Jazz, Soul, Aretha Franklin zum Beispiel“, sagt Vecihe Yavuz – und man staunt ein wenig, als man in der Werkstatt einen Plattenspieler stehen sieht. Denn von einer 21-Jährigen erwartet man ja eher, dass sie Vinyl für ein neues Reinigungsmittel oder Ähnliches hält.

Aber das ist ja letzten Endes auch ein böses Klischee. Und wenn wir schon bei Vorurteilen sind, dann kann man ja auch gleich mal zum Thema Integration kommen. Denn Vecihe Yavuz, die Modeschneiderin an der Berufsschule in Nürnberg gelernt hat, ist Kurdin und, wie alle ihrer sieben Geschwister, nicht in Deutschland geboren. Sie spricht aber perfektes Deutsch — bei Bedarf auch Fränkisch — und hat, so sagt sie, noch nie Probleme damit gehabt, sich hier wohl und willkommen zu fühlen.

1994 verließ die Familie ihre Heimat in der türkischen Provinz Mardin an der Grenze zu Syrien wegen der politischen Situation — nicht aus finanziellen Gründen, wie Bruder Mesut betont. Nach mehreren Stationen landete die Familie in Großgründlach. „Das war unser Glück. Wir gingen quasi in die Dorfschule, waren die einzigen Ausländer und wurden dort sofort sehr gut aufgenommen.“ Es gab also quasi keine Chance, sich nicht zu integrieren.

Aber zurück zur Mode: Hinter dem Label „Vätsch“ stehen nicht nur Gründerin Vecihe, sondern auch ihre zwei Schwestern Fatma (23) und Ayse (25). Beide haben ebenfalls Modeschneiderin gelernt oder sind noch dabei. Woher kommt das Interesse für Bekleidung? „Die Inspiration war eigentlich unsere älteste Schwester“, sagt das Trio und verweist darauf, dass Nähen fester Bestandteil der kurdischen Kultur ist. Ihre Liebe zum Schneidern und zur Lederverarbeitung entdeckte Vecihe bei einem Praktikum. Zunächst experimentierten sie und ihre Schwestern mit kleineren Täschchen. Dass sie den Traum vom eigenen Label weiter verfolgten, war dann auch das Verdienst vom großen Bruder Mesut. Der BWL-Student motivierte seine kleinen Schwestern immer wieder, fungierte auch als Geldgeber — und greift sogar selbst zur Nähnadel. Er ist für herzallerliebste Baby-Schnürschühchen zuständig, die ein wenig an römische Sandalen erinnern.

Mittlerweile haben die Geschwister, die daheim in Bislohe in ihrer Werkstatt alles per Hand machen, Accessoires aller Arten im Programm. Zum Beispiel quietschbunte Fliegen, witzige Gesichter-Geldbeutel und Handtaschen, aktuell eine in Rosa mit farblich passendem Innenfutter. Die Nachfrage nach den Produkten ist groß, obwohl es noch keinen eigenen Online-Shop gibt. Aber es geht ja auch analog: Mundpropaganda ist das wichtigste, außerdem kann man die Vätsch-Kreationen auch ab und zu im Café Wanderer am Nürnberger Tiergärtnertor sehen, bei „Design von Designern“ von Doris Kißkalt, im Internet-Portal Dawanda — oder im Berliner Laden O3.

An einem Webshop wird natürlich dennoch gearbeitet, auch hier unterstützt der Bruder tatkräftig. Noch ist das Label Vätsch ein Nebenerwerb, aber Ziel ist schon, einmal ganz vom Designen leben zu können. Jetzt geben die Yavuz-Geschwister ihr Wissen aber erst einmal in einem Workshop weiter: Am 6. Oktober ab 11 Uhr im Coworking Space am Josephsplatz lernen die Teilnehmer bei der „Vätsch Style Skool“ alles über die Geschichte der Bekleidung und was die Lady und der Gentleman so tragen. Anmelden muss man sich nicht, sondern einfach vorbeikommen — aber Vorsicht, dem Charme von Vecihe, Fatma und Ayse ist man sofort erlegen!

Kontakt unter vaetsch@gmx.de

 

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