Echt bieberschnittig und spektacoolhair

13.12.2012, 11:00 Uhr
Echt bieberschnittig und spektacoolhair

© Wraneschitz

Ein kleines Häuschen in Stadeln an der Erlanger Straße. In einem Gärtlein stand es und enthielt einen streng getrennten zweizimmrigen „Salon“: links die Herren, rechts die Damen, zwei Stühle insgesamt vor hohen Spiegeln. Der Betreiber wurde seltsamerweise „Texas-Bader“ genannt. Warum nur? Trug er bisweilen einen Cowboyhut oder lag sein Laden einsam wie eine Ranch in der seinerzeit noch unbebauten präriegleichen Landschaft am Rand der Stadt? Lang ist’s her.

Noch so ein Haarkünstler: Im Hauptbahnhof – als er, was die Infrastruktur betrifft, noch einer war – gab es auf Gleis 1 auch mal einen Friseur für eilige Damen und Herren. Der Meister freilich war öfters als er Fasson schnitt mit leerem, respektive vollem Bierglas auf dem Weg zur und von der Bahnhofgastwirtschaft 2. Klasse zu seinem Salon zu beobachten (ja, es existierte in der Tat auch eine für die 1.Klasse, aber das wäre eine andere Geschichte). Schauermärchen von im Tran abgeschnittenen Ohren kursierten...

Heutzutage aber mag der Friseur nicht mehr „Friseur“ heißen und hat sich daher mit viel Mühe und erstaunlichem Drang zur werbewirksamen Originalität umbenannt. Kaum ein anderer Berufszweig – den Hausmeister mal ausgenommen, der als neuerdings „Facility Manager“ eigentlich unschlagbar ist – scheint mit seinem angestammten Namen so viel Probleme zu haben wie der jener Menschen, die mit Schere und Kamm fremder Menschen Aussehen bearbeiten. Man muss gar nicht die Anglizismen zitieren, die aus einem stinknormalen Salon gleich eine hippe Schönheitsfarm machen sollen: „Crazy Hair“, „Hairdesign“ oder gleich „Hair.Style.Factory“.

Auch mit der eigenen deutschen Sprache lässt sich mächtig Schindluder treiben. Legendär ist schon der Besitzer eines Ladens in der Königstraße, der seinen eigenen Nachnamen verwendet, um sich und seine Kunst als „bieberschnittig“ anzupreisen, wobei bis heute nicht klar ist, was eigentlich die Frisur eines baumnagenden Säugetiers nachahmenswert macht. Hingegen bei „Abschnitt“ wird unmissverständlich deutlich, worauf man sich einlässt. Wer ganz sicher gehen will, geht zum „Friseur für Haare“ und weiß, dass ihm hier nicht auch noch die Fußnägel gekürzt werden.

Was man unter „Haare und mehr“ zu verstehen hat, ist nicht ganz klar, denn eigentlich besucht man doch einen Friseur, damit die Haare weniger werden. Beim „Haar-Treff“ fühlen sich die Locken sicher unter ihresgleichen wie die Mütter im Müttertreff, und beim „Hairkiller“ wird es wohl ähnlich wüst zugehen wie ehedem beim Texas-Bader: Der Figaro pustet die Mähne mit seiner Smith & Wesson einfach weg.

An die derzeitige Diskussion um das Aussehen der Fürther Innenstadt fühlt man sich gleich bei zwei Salons erinnert. Einmal weckt „Haar Vision“ Hoffnungen, dass doch noch nicht alles verloren ist, zum anderen ist der „Salon der Mitte“ ein schönes Beispiel dafür, dass auch schon vor dem ersten Spatenstich das neue Zentrum auf und in den Köpfen angekommen ist. Dummerweise liegt dieser Laden draußen in Stadeln.

Einen „Haar-Treffpunkt“ gibt es auch, womöglich werden dort die ganzen abgeschnittenen Zotteln gesammelt. Bei „Haarscharf“ wirkt beruhigend, dass nicht mit stumpfem Werkzeug hantiert wird, und unter „Haarstudio“ tut es heute kaum jemand mehr aus der weiteren Konkurrenz. Einer, dem der „Styling point“ doch etwas zu weit geht, hat sich auf alte Zeiten besonnen und nennt sich dialekt-perfekt „Boderslädla“, was besonders lustig klingt, wenn ein Preuße danach fragt. Beim „HaarSpitzenTeam“ wirkt das Eigenlob irgendwie beruhigend. Bei „Haarmonie“ geht es zwischen Waschen und Legen mit Sicherheit kuschelig zu.

Nun sollte man meinen, auf dem Land, wo an Hauswänden noch die nostalgischen „Wella“Leuchtreklamen und „Drei-Wetter-Taft“Versprechen mit dem Namen des Betreibers hängen und soliden Stufenschnitt garantieren — im weiten Landkreis also sei die Zeit stehen geblieben. Irrtum. Gerade dort, wo sich in jedem zweiten aufgelassenen Hühnerstall längst ein „Nail-Studio“ befindet, ist der Erfindungsreichtum der Meister des Scheitels am größten.

Ein italienischer Figaro aus Oberasbach, der auf „Capelli belli“ gekommen ist, mag ja noch angehen. Aber was treibt den bodenständigen Bader dazu, seinen Laden „Hair Lounge“ zu taufen? In Roßtal entdeckten wir (neben „Großkopf“ und „Helmreich“, was berufsbezogen immer-hin sehr komisch klingt) „Haargenau“, was wir ja eigentlich von allen Kollegen erwarten. Die „Hairforce“ wird gnadenlos in Stein auf die Kunden losgelassen, bei „Frontlook“ hingegen weiß man nicht so recht, ob auch hinten alles korrekt gekürzt wird. Sehr gut gefallen hat uns in Tuchenbach die „Glückssträhne“ und in Wilhermsdorf „Golden Hair“, was uns ein wenig an die Betonfrisuren der entsprechenden TV-„Girls“ erinnerte. Im „Salon Locke“ in Oberasbach braucht Mann mit Glatze gar nicht erst vorbeischauen.

In Zirndorf macht sich ein Friseur mit „Art of Hair“ zum Kulturträger, ein anderer ist schlichtweg „Creativ“, der nächste blitzschnell „(„Hair Express“) — und es gibt einen, da fallen einem nun ob des Erfindungsreichtums die Schuppen von den Schultern: „SpektaCoolHair“. Sollten Friseure wirklich solch ein Minderwertigkeitsgefühl haben, dass sie sich bei der Namensgebung für keinen, ja, dieses Wortspiel muss nun endlich erlaubt sein: für keinen haarsträubenden Einfall zu schade sind?

Wohl dem, der da noch einen Termin im guten alten „Salon Uschi“ (Oberasbach) bekommt. Da weiß man, was man hat und wo man ist.

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