Ein böser Wolf, ein fieser Pate und ein "Tatort"-Kandidat

31.7.2018, 17:30 Uhr
Ein böser Wolf, ein fieser Pate und ein

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Schwarz, Weiß und Grau gelten gemeinhin als Nichtfarben. Trotzdem kann man damit enorm viel anstellen. Harte Kontraste, fein abgestufte Graustufen, große oder kleine Formate und gewählte Ausschnitte. Den Rest stellt die Assoziation her. Und bei Manfred Edlers Prominentengalerie "Faces" drängt sich nicht von ungefähr der Verdacht an eine Leihgabe aus dem Kriminalmuseum auf.

Zugegeben, das liegt vor allem an den prominentesten Visagen, es sind Ikonen des 20. Jahrhunderts. Zum einen Jack Nicholson im Horrorfilm "Shining", der gerade die Badezimmertür zu Kleinholz gemacht hat und wie der große böse Wolf die Zähne fletscht. Das schaut in schwarzem und grauem Acryl eh schon furchterregend aus, doch damit nicht genug, lässt Edler noch Strähnen dunkler Farbe über das Gesicht laufen.

Etwas weiter daneben schürzt Marlon Brando als Pate seine Lippen zum nettesten Haifischlächeln. Gleich macht er ein Angebot, das man einfach nicht abschlagen kann. Die hellen Zonen seines Gesichts bestehen übrigens aus Zeitungspapier, deren Zeilen, aus dem richtigen Abstand betrachtet, für ein diffuses Grau sorgen.

Und mittendrin zwischen Jack und Marlon: Fürths Oberbürgermeister, der im Moment der fotografischen Aufnahme offenbar einen schlechten Tag erwischt hat. Am letzten Wahlergebnis kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Jedenfalls empfiehlt sich Thomas Jung mit diesem Gemälde für den nächsten Franken-"Tatort" schon mal als einer der üblichen Verdächtigen.

Revolutionär oder Politkrimineller? Die Meinungen über Ernesto Che Guevara gehen auch 50 Jahre nach seinem Tod weit auseinander. Sein mediales Fortleben verdankt er einem anderen berühmten Umstürzler unbekannten Aussehens, dessen ikonographische Idealgestalt sich über die Jahrhunderte zu einem unverwechselbaren Typus verfestigt hat. Hager, bärtig, lange Haare, intensiver Blick und enorme Ausstrahlungskraft.

Die Ähnlichkeit mit dem populären Christus-Imago beschränkt sich allerdings nicht auf die sattsam bekannte Fotografie, die Che als Christus mit Barett zeigt, sondern makabrerweise und noch viel ausgeprägter auf die Fotografien seiner Leiche. Da rattert’s im Hinterkopf. Gemälde von Grablegungen ploppen im Bildgedächtnis auf, und da vor allem die "Beweinung Christi" von Andrea Mantegna oder "Christus im Grabe" von Hans Holbein dem Jüngeren.

Das ins Nichts und doch den Betrachter frontal anstarrende Gesicht des toten Che Guevara hat Manfred Edler mit Bleistift, Tusche sowie einer Mischung aus Leim und Asche nach dem berühmten Todesfoto geschaffen. Als freie Zutat krabbelt zudem eine Fliege über die erkaltete Stirn. Eingerahmt ist die Grisaille von rostigen Trümmern Altmetall, leeren Polizeipatronen und einer verrosteten Pistole sowie einer ins Deutsche übertragenen Rede des Revolutionärs.

Weniger gruselig, dafür herzerfrischend naiv muten die dreidimensionalen Straßen- und Strandbilder an, die Edler — nach vielen Jahren als Galerist des Art-Kunstschaufensters im City-Center hat der ehemalige "Schrank"-Betreiber seine künstlerische Heimstatt im Samocca gefunden und zeigt nun ausnahmsweise seine eigene Kunst — als winzige Bühnenbilder ausstellt. Da lenken Püppchen in Eierschalen blaue Riesenschmetterlinge, klettern Figürchen mit Leitern auf einem gestrandeten Kugelfisch herum, spielt eine kubanische Straßenszene vor der omnipräsenten Che Guevara-Ikone. Kitsch mit Hintersinn. Viva la revolución!

"Faces": Café Samocca, Rudolf-Breitscheid-Straße 4. Bis 18. August.

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