Ein kleiner Teil des ewigen Werdens und Vergehens

10.11.2018, 16:07 Uhr
Ein kleiner Teil des ewigen Werdens und Vergehens

© Foto: Chris Herzfeld Camlight Productions

Natur, das ist alles, was wir nicht selbst erschaffen haben. Reden wir also über Wald und Wiesen, Wolken und Wasser. Geht klar? Oder darf’s ein bisschen mehr sein? Gehört nicht auch der Mensch zu diesem Naturbegriff? Das ist eine Frage, über die sich fein debattieren lässt. Philosophen tun das auch seit Jahrhunderten. Garry Stewart nicht. Er gibt eine Antwort.

Vom ersten Moment dieses Abends an ist klar: Wir sind ein Teil dieses ewigen Werdens und Vergehens und wahrlich nicht der wichtigste. Der Mensch darf mitmischen im Reigen des Wechsels, der geprägt wird vom unumstößlichen Rhythmus der Erde. Es wird Tag, und es wird Nacht. Die Jahreszeiten kommen und gehen. Das Leben wird vom Tod abgelöst und erwacht erneut.

Die Choreografie zeichnet diesen Kreislauf in starken Bildern. Stewart hat eine Tanzsprache gefunden, die kraftvoll ist, inspiriert und eigenständig. Er lässt die Tänzerinnen und Tänzer mit ihren Körpern überaus überraschende Elemente formen, die wirken, als entstammten sie direkt aus einer bislang unerkannten Darstellung der Bausteine des Lebens.

Völlig selbstverständlich fügen sich Bewegungen, die aus uralten Ritualen zu stammen scheinen, mit Breakdance-Moves zu einer Einheit. Artistisches Können korrespondiert mit einer Körperhaltung, die klassisches Ballett geschult hat. Eine kluge Lichtregie setzt all das perfekt in Szene.

Garry Stewart, der seit 19 Jahren mit seiner Arbeit fürs Australian Dance Theatre weltweit gefeiert, hat sich einen Namen damit gemacht, verschiedene Disziplinen und Ansprüche miteinander zu verknüpfen. In "The Beginning of Nature" lenkt er den Blick auf die Geschichte des australischen Kontinents. Zu Brendan Woithes Musik ließ er ein Libretto in Kaurna schreiben, das live gesungen wird.

Rekonstruierte Sprache

Kaurna ist eine Sprache, die in der Region Adelaide Plains gesprochen wurde, bevor sie durch die Kolonialisierung ausstarb. Mithilfe historischer Aufzeichnungen von zwei deutschen Missionaren konnte eine Art von Basis-Kaurna rekonstruiert werden, das nun Teil von Stewarts Performance ist. Nicht zuletzt diese Annäherung an die Ursprungsgeschichte Australiens verleiht "The Beginning of Nature" eine ungewöhnliche Authentizität, die eine gefühlte Verbindung zum Anbeginn des Seins möglich erscheinen lässt.

Keinen Interpretationsspielraum frei lässt die Deutlichkeit, mit der klar wird, welchen Platz Stewart dem Menschen in der allumfassenden Natur zumisst. Sagen wir es mal so: Wir sollten uns nicht viel darauf einbilden. Hier formen sich nicht einmal Individuen heraus. Ebenso wenig wie jedes Blatt, das im Herbst zu Boden segelt, einen Namen hat, sind die Tanzenden gezeichnet. Sie erscheinen als wechselnde Komponente einer Daseinsform; als solche agieren sie auch.

Ein Toter wird von ihnen in einer Schlüsselszene mit emotionsloser Neugier untersucht. Das Sterben erscheint als Teil eines Kreislaufs, der auf immer und alle Zeit den Regeln folgt, die ihm innewohnen.

Ein ziemlich weises, demütig stimmendes Abschiedsbild für einen Abend, der vom Fürther Publikum lange gefeiert wurde.

Zum letzten Mal Samstag, 19.30 Uhr. Wenige Restkarten im 2. Rang.

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