Ein Kriegsheld, aber kein Fürther Handschuhmacher

20.11.2018, 11:00 Uhr
Ein Kriegsheld, aber kein Fürther Handschuhmacher

© Foto: Imperial War Museum

"Nach der Fürther Handschuhmacherfamilie hugenottischer Abstammung" stand auf dem kleinen Schild, das unter der Blechtafel mit der Aufschrift Ritter-von-Aldebert-Straße an der Einmündung in die Breslauer Straße befestigt war. Doch die Wohnstraße zwischen dem Scherbsgraben und der Würzburger Bahnlinie ist definitiv nicht französischen Religionsflüchtlingen gewidmet, sondern einem deutschen Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg.

Karl Aldebert heißt der am 24. September 1888 in Nürnberg geborene Soldat, der sich als Oberleutnant des in Fürth stationierten 21. Bayerischen Infanterieregiments bei der Erstürmung der heftig umkämpften nordfranzösischen Ortschaft Bapaume im März 1918 hervorgetan hatte. Der verheiratete Lehramtsanwärter bezahlte seinen Einsatz mit dem Leben, wurde aber posthum mit der höchsten militärischen Auszeichnung des Königreichs Bayern, dem Max-Joseph-Orden, bedacht. Dieser ist verbunden mit einem persönlichen, nicht vererbbaren Adelstitel. Eine Familie kann sich damit nicht schmücken – ganz abgesehen davon, dass über hugenottische Handschuhmacher namens Aldebert in Fürth sonst nichts bekannt ist.

Merkwürdig ist die Straßenbenennung aber auch ohne diese – aus welchem Grund auch immer – konstruierte Verbindung. Denn sie hat ihre Wurzeln im Nationalsozialismus. Am 9. Februar 1939 ordnete NSDAP-Kreisleiter und OB Franz Jakob auf Vorschlag des XIII. Armeekorps die Benennung einer Straße bei der Südstadtkaserne nach Ritter von Aldebert an. Der anschließende Straßenzug wurde nach Bapaume benannt.

Im Zuge der Entnazifizierung nach Ende des Zweiten Weltkrieges räumten die Amerikaner mit der deutschen Kriegsverherrlichung auf. So wurde die Bapaumestraße 1946 nach dem Fürther Rathausarchitekten in Bürkleinstraße umbenannt. Die Ritter-von-Aldebert-Straße wiederum wurde dem jüdischen Vater des Klinikums gewidmet: Dr. Jakob Frank. Diesen hatten die Nazis schon 1933 mit Berufsverbot belegt. Er floh 1939 nach New York, wo er sich als Krankenpfleger in Altenheimen durchschlagen musste, weil seine eingezogene Approbation nicht erneuert wurde.

Vorstoß des Ordens

Damit wäre die Angelegenheit eigentlich erledigt gewesen, hätte nicht der noch bis 1985 bestehende Max-Joseph-Orden unter seinem damaligen Großkanzler Rudolf von Kramer 1963 die Stadt Fürth gebeten, wieder eine Straße nach Ritter von Aldebert zu benennen. Und diesem Wunsch war der Stadtrat unter SPD-Oberbürgermeister Hans Bornkessel – ein entschiedener Gegner der NS-Ideologie – am 14. November 1963 einstimmig nachgekommen.

Nur eine Kurzmeldung war den Fürther Nachrichten dieser Vorgang damals wert. Allerdings hieß es darin, die Straße am Scherbsgraben solle den Namen "Karl-Ritter-von-Aldebert-Straße" tragen. Auf den Vornamen hat man dann aber vermutlich aus Platzgründen verzichtet. Gänzlich dubios wurde die Geschichte allerdings durch die Erläuterung. Die im Grunde sehr sinnvollen Erklärungstafeln an einzelnen Fürther Straßenschildern gehen auf eine Initiative der Sozialdemokratin Friedel Stranka (1920-1999) aus dem Jahr 1989 zurück, der Ehefrau des Fürther SPD-Bürgermeisters (1963 bis zu seinem Tod 1983) Heinrich Stranka. Sie sammelte ausdauernd Spenden für die Hinweisschilder.

Allerdings, so Stadtarchivchef Martin Schramm, hat sich auch die Kommune finanziell an dem Unternehmen beteiligt, das pro Schild mit etwa 75 Euro zu Buche schlägt. Wer nun die irreführende Erläuterung geliefert hat, das lasse sich heute nicht mehr feststellen. Inzwischen spielt es auch keine Rolle mehr.

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