Ein Pad macht noch lange keinen guten Kaffee

5.9.2016, 06:00 Uhr
Ein Pad macht noch lange keinen guten Kaffee

© Foto: Peter Budig

Der C-a-f-f-e-e aus dem Kinderlied schwächt die Nerven und ist ein Türkentrank. An dem alten Lied stimmt nichts: Kaffee sorgt nicht für Nervenschwäche und die meisten Türken trinken am liebsten schwarzen Tee.

Es ist komplizierter, als man beim Discounter denken möchte, wenn man dort Pads oder Billigbohnen holt. Bis aus den Strauchfrüchten mit den knallroten Kirschen die grünen Samen gewonnen sind, diese geerntet, getrocknet, transportiert, geröstet, gekühlt, fein gemahlen zu einem köstlichen Espresso, Cappuccino, einer duftenden Tasse Kaffee werden, das dauert. Und obwohl guter Kaffee „sortenrein“ aus einer Plantage kommt, die wegen des höheren Luftdrucks am besten weit oben in den Bergen Mittelamerikas, Südamerikas oder Afrikas liegt, gelten bei Reiner Sulzer in Cadolzburg die Regeln des „original regionalen“ Wirtschaftens. So kommt die Aromaverpackung aus Langenzenn.

Das hat die Bezirks-Grünen um Ruth Halbritter, Marianne Schwämmlein und Birgit Raab bewogen, im Rahmen ihrer Reihe „Grüne Wege führen weiter“ die Firma Espressone zu besuchen.

Bei 150 Grad brutzeln

30 Kilo feine, grüne, praktisch geruchlose Bohnen aus dem Hochland von Nicaragua schüttet Reiner Sulzer in seine Röstmaschine. „Röstet man zu lange, wird er bitter, zu kurz schmeckt er sehr säuerlich. Und es ist wie bei der Weihnachtsgans: Schnell und heiß gebraten ist sie in zwei Stunden fertig. Richtig gut schmecken aber wird sie, wenn man sie bei 150 Grad sehr lange brutzeln lässt.“ Sulzer kann stundenlang über Kaffee, Bohnen, über die Bauern in Guatemala oder Äthiopien, die er meist persönlich besucht und mühsam ihr Vertrauen erworben hat, erzählen.

Er spricht schnell, denn er ist Unternehmer, hat zu tun. Nicht nur Kaffee rösten — 200 Tonnen im Jahr. Bohnen, die es dann bei Ebl, Edeka und anderen zu kaufen gibt. Auch Kaffee- und Getränkeautomaten für Firmen, Schulen, Behörden befüllen, gehört zum Angebot. Ebenso ein Reparaturservice für Siebträger- und Bürokaffeemaschinen, kostenloses Kaffee ausschenken, Kaffee im Fabrikverkauf anbieten, neue Firmen werben und beliefern. 16 Festangestellte helfen dabei, alles am Laufen zu halten.

So ein Espressone-Kaffee kostet, je nachdem ob bio, bio fair trade oder einfach fair und anständig gehandelt von 14 bis 18 Euro das Kilo — und mehr. „Kaffee, der beim Discounter 5,80 Euro kostet, wobei immer 2,19 Euro Mehrwertsteuer sind und 20 Prozent Röstschwund — pah! Sie können sich ausrechnen, was für den Bauern bleibt“, berichtet er.

Reiner Sulzer hat früh das Zupacken gelernt, Schule war nicht so sein Ding. Er lernte Schweißer bei Siemens, später Maschinenschlosser. Die stylischen Kaffeetische bei Espressone mit den Stahlfüßen hat er selbst entworfen. Die Holzböden selbst verlegt.

1,4 Millionen Euro hat das neue Firmengebäude gekostet — plus Grundstück. Ein sonnenheller Traum aus Holz und Glas, viel ökologischem Dämmstoff, Solarenergie zur Selbstversorgung auf dem Dach. Rösterei, Fabrikverkaufsräume, Großraumbüro, Seminarräume in lichter Höhe unterm Dach auf 1400 Quadratmetern.

Fairer Lohn

Sulzer steht auf Fairness. Zahlt für die einfachsten Jobs nicht Mindestlohn, sondern zwölf Euro pro Stunde und den Plantagenbesitzern einen anständigen Kilopreis. „Die Welt ändert sich nur, wenn diese Bauern ihre Kinder zur Schule schicken können“, ist seine Maxime.

Zum Schluss bringt sein Barista Gregor Dattner, ein kaffeeverrückter Autodidakt, einen Cappuccino. „Du wirst sehen“, sagt er, „es bleibt kein Schaum am Tassenrand. Das ist ein Zeichen von Qualität.“ Dann schnalzt er mit der Zunge: „Dein Mund muss sich um jeden Schluck wickeln. Und dann spürst Du, wie Wonne schmeckt.“

Espressone, Am Farrnbach 8, Cadolzburg. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr, Samstag 9 bis 13 Uhr. www.espressone.de

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