Eindeutig zweideutig

7.7.2016, 19:58 Uhr
Eindeutig zweideutig

© Foto: Thomas Scherer

Franz Lehar als Komponist und sein manchmal unsäglich plattes Libretto mochten sich 1927 nicht eindeutig entscheiden: Anfangs sieht es danach aus, der Zarewitsch turnt lieber an Geräten als mit Frauen, dann verliebt er sich in die seinem Bett untergeschobene Sonja – oder doch nicht? Zum Schluss muss er aus Staatsraison eine Prinzessin Miliza heiraten – aber mit welchem Erfolg für die Thronfolge?

Die Staatsoperette Dresden und ihr Regisseur Robert Lehmaier hatten offenbar die Fragerei satt. Egal, ob dieses sexuelle Changieren im raffinierten Spiegelkabinett (Bühne: Markus Meyer) nun den eigentlichen Reiz des Stücks ausmacht: Bei ihm ist der Kronprinz schwul und küssen kann er längst: aber nicht die verordnete Gespielin, sondern den „Soldaten“, der stramm und mit stahlblauem Blick irgendwo zwischen Reichswehr und NVA in feldgrauer Uniform mit ihm in den Kissen wühlt.

Zitronen von Neapel

Zur „Ménage à trois“ taugt anfangs noch ein tanzender „schwarzer Prinz“, dann die goldige, aber verschmähte Sonja, die schließlich so sauer dreinschaut wie die Zitronen von Neapel, wohin die drei Liebesleute aus Russland aufs Zitronenplumeau geflüchtet sind.

Richard Tauber war einst bei der Uraufführung in Berlin der Zarewitsch Aljoscha, ihm und seiner unverkennbar timbrierten Stimme mochte man damals das Hin und Her glauben. Heute busselt sich in aller Eindeutigkeit Richard Samek durch das üppige männliche Angebot der zaristischen Armee. Da ist der Fürther Operetten-Abonnent vielleicht erst mal baff und muss der Enkel dem Opa in der Pause erklären, was los ist. Noch mehr wundert sich wahrscheinlich Wladimir Putin, der großformatig und mit seiner Homosexuellen-Phobie in die Aufführung kommt wie der „Pontius ins Credo“. „Kotzenswürdig“ hatte der Kritiker Karl Kraus das Ganze, besonders die vielen Da capos bei der Wiener Aufführung, gehalten. Das Fürther Publikum entließ den Ausflug der guten alten Operette ins Regietheater mit eher zurückhaltendem Beifall.

Sächsische Klangorgie

Den hatte auf jeden Fall das Dresdner Operettenorchester unter Peter Christian Feigel mit seinen schwelgerischen Tönen verdient oder die zwischen Diva und Frustration schwankende Sonja der Frédérique Friess. Weniger der Tauber-Nachfolger Samek als Aljoscha, der Mühe mit den verschiedenen Tenorregistern hat, aber denn doch einige schöne Töne produziert und in seinem düsteren Turn-, Schlaf-, Liebesboudoir den „Soldat am Wolgastrand“ ansingt.

Das Buffopaar des Stücks bleibt – wohl weil hetero – ziemlich unterbelichtet (Frank Ernst und Jeannette Oswald). Für die beiden und auch sonst ist Franz Lehar im „Zarewitsch“ nicht so viel an Ohrwürmern eingefallen, zum Schluss zwischen Petersburg und Neapel immerhin: „Warum hat nicht jeder Frühling ach nur einen Mai?“, wenn sich die Herren an die Wäsche gehen und der braven Sonja nur die Zeitung bleibt.

Die pompösen Ballettmusiken trumpfen ordentlich auf, das Dresdner Ballett macht seine Sache leidlich gut. Allerdings: Die Herren tragen in Neapel Blazer und Bermudas völlig stilwidrig mit weißen Söckchen und nicht mit Kniestrümpfen: shocking!

Weitere Vorstellungen 8. und 9. Juli, jeweils 19.30 Uhr, Karten unter Tel. (09 11) 9 74 24 00 oder an der Abendkasse.

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