Eine Familie, von den Nazis fast ausgelöscht

31.7.2016, 10:00 Uhr
Eine Familie, von den Nazis fast ausgelöscht

© Foto: Kappeler/dpa

Auschwitz, Ravensbrück, Bergen-Belsen: In diesen Konzentrationslagern musste die 1940 geborene Eva Franz die meiste Zeit ihrer frühen Kindheit erleben. Sie war dabei, als die größere Schwester und die Mutter an Entkräftung und Krankheiten starben und wurde nach der Befreiung durch die britische Armee erst im letzten Moment von ihrem Vater wiedergefunden – einem der wenigen Überlebenden der Großfamilie.

Über ihre ersten Lebensjahre reden wollte Eva Franz lange Zeit gar nicht. Nicht mit Freunden und Bekannten, erst recht nicht vor fremden Menschen. Dass sie nun doch Zeugnis ablegt, dazu habe sie ihr Schwager überredet.

„Ich komme in Schulen, um über die schrecklichen Ereignisse zu berichten und damit so eine Zeit nie wieder kommt“, erklärte sie den Langenzenner Schülern.

Franz‘ Vater war Pferdehändler in Fulda, die Familie war in der ländlichen Gegend hoch angesehen. Sie selbst ist in Gablonz, im damaligen Sudetenland geboren, wo die Großeltern lebten. Als eines Tages die SS 36 Mitglieder der Familie abholt, beginnt für alle ein Martyrium, das viele nicht überleben werden. Eva Franz wird mit Vater, Mutter und Schwester ins KZ Auschwitz deportiert, wo die Eltern schwere körperliche Zwangsarbeit leisten müssen. Die Versorgung war von Anfang an katastrophal, auch wenn Eva Franz erzählt, „dass es uns noch einigermaßen gut ging, solange der Vater bei uns war“.

Doch bereits nach vier Wochen stirbt ihre Schwester an einer Typhusinfektion. Der Vater versucht, für die Familie zusätzliche Lebensmittel aus der Lagerküche zu organisieren, was streng verboten war. Eine Zeitlang sei das gut gegangen, doch irgendwann wird er erwischt. Zur Strafe wird er öffentlich ausgepeitscht, von der Frau und Kind getrennt und ins KZ Buchenwald gebracht.

Nun mit der Mutter alleine, wird Eva Franz erst nach Ravensbrück, kurz vor Kriegsende nach Bergen-Belsen verschleppt. Dort fällt schließlich auch noch ihre Mutter Unterernährung und den unmenschlichen Bedingungen beim erzwungenen Straßenbau zum Opfer. „Sie ist einfach umgefallen“, berichtet die Zeitzeugin, der während des einstündigen Vortrags immer wieder Tränen kommen.

Wenige Woche darauf befreien schließlich britische Soldaten die Gefangenen. Rot-Kreuz-Schwestern versuchen sie, langsam wieder körperlich aufzupäppeln. Die meisten Kinder sind Waisen oder es kann niemand etwas über das Schicksal ihrer Familien sagen.

Flugzeug stand bereit

Auch Eva Franz ist nun alleine und soll wie Hunderte andere Mädchen und Jungen zur Adoption freigegeben werden. „Das Flugzeug, das mich nach Amerika bringen sollte, stand schon bereit“, erinnert sie sich.

Mittlerweile hat sich ihr Vater auf die Suche nach Eva Franz gemacht. Doch in Bergen-Belsen erkannte weder sie ihn noch umgekehrt. Nur dank einer Narbe, die sie sich als Baby bei einem Sturz aus dem Kinderwagen zugezogen hatte, kann sie schließlich identifiziert werden.

Gemeinsam versuchen sie in den folgenden Jahren, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Sie ziehen nach Nürnberg, wo Eva früh heiratet, Kinder und später Enkel bekommt. „Ich habe gute Kinder, die sich um mich kümmern“, sagt sie. Ihre grausame Kindheit trägt sie bis heute mit sich herum.

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