Eine wachgeküsste Innenstadt mobilisiert die Massen

15.3.2015, 20:17 Uhr
Eine wachgeküsste Innenstadt mobilisiert die Massen
Eine wachgeküsste Innenstadt mobilisiert die Massen
Eine wachgeküsste Innenstadt mobilisiert die Massen

Manchmal beschreibt nichts die Lage treffender als einer dieser herzhaften fränkischen Klassiker: „Allmächd, is des a Gwerch“, sagt eine ältere Frau also an der Kreuzung von Friedrich- und Rudolf-Breitscheid-Straße, während sie ungläubig auf die Masse von Menschen starrt, die sich Richtung Neue Mitte schiebt. Tatsächlich ist kaum zu fassen, was sich hier abspielt, einen derartigen Andrang erlebt die Innenstadt sonst allenfalls an Kirchweihsonntagen.

Menschen wie Jochen Neuper, die seit vielen, vielen Jahren in Fürth leben, die intensiv Anteil nehmen am Schicksal ihrer Stadt, die regelmäßig ins gesellschaftliche Leben eintauchen, trifft man in der Menge immer wieder an. Der 60-Jährige und seine Frau Elfi (55) sind begeistert und auch ein bisschen gerührt. Neuper findet nur Superlative: „Traumhaft“, sagt er, und: „Überwältigend.“

Es sieht tatsächlich so aus, als sei es gelungen, mit der Eröffnung der Läden im ersten Abschnitt der Neuen Mitte und im Hornschuch-Center an der Gabelsbergerstraße den Schalter umzulegen: So viel Interesse an der City war noch nie, wie unter Strom wirkt sie auf einen Schlag. In den Läden an der Rudolf-Breitscheid-Straße wie im ehemaligen Marktkauf-Gebäude gibt es kaum ein Durchkommen, aber auch in der „alten“ Fußgängerzone, in der Schwabacher Straße, versiegt der Strom nicht.

Dass die Rolltreppen zu und von Schuh-Mücke im Obergeschoss des Hornschuch-Centers zum wiederholten Male ausgefallen sind — wen kümmert’s: Ungerührt schieben sich die Menschen dicht an dicht die stillstehenden Metallbänder hinauf und hinunter. Allerorten treffen teils orientierungslose Passanten auf teils von der schieren Masse überrolltes Personal. Ein junges Pärchen huscht vorbei, sie grinst ihn an und ruft: „Mensch, das ist ja wie in einer Großstadt . . .“

Ab durch die Baustelle

Auch der Verkehr im Zentrum legt Zeugnis ab vom Ansturm. Auf den Hauptverkehrsstraßen zuckeln Autos im Stau dahin, vom Rot-Kreuz-Haus reicht er durch König-, Schickedanz- und Breitscheid-Straße bis hinüber zum Hornschuch-Center. Der Blick auf die Kennzeichen verrät: Erstaunlich viele kommen aus den verschiedensten Ecken der Region. Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass sich etwas tut, drüben bei den Fürthern.

Zurück zur Kreuzung von Rudolf-Breitscheid- und Friedrichstraße, wo unterdessen die Baustellenabsperrungen gefallen sind – überrannt von der ungeduldigen Menge, der das leidige Nadelöhr, nötig geworden wegen des noch nicht fertig verlegten Fußgängerzonen-Pflasters, nun doch zu sehr auf die Nerven ging. Jetzt laufen die Passanten kreuz und quer übers Ungepflasterte, links und rechts vorbei an Baggern. Die Mixtur aus Neugier, Euphorie und Konsumrausch, sie bricht sich im Wortsinn Bahn.

*Wer etwas mehr Luft zum Atmen braucht, findet sie in der Altstadt. Dort, jenseits der Königstraße, haben die Händler an diesem Sonntag ihre Geschäfte ebenfalls aufgesperrt. Und nicht nur das. Im Bemühen, bei all der Neugier auf Hornschuch-Center und Neue Mitte nicht in Vergessenheit zu geraten, haben sie sich einiges einfallen lassen. Viele der kleinen Läden haben sich Kunsthandwerker eingeladen, um den Kunden etwas Besonderes zu bieten. Die Rechnung geht auf. Gut gelaunte Menschen flanieren über den Grünen Mark und durch die Gustavstraße, entspannt und ohne sich auf den Füßen zu stehen, aber doch in so großer Zahl, dass den Geschäftsleuten das Herz aufgeht.

„Die Leute kommen“, freut sich Rita Erhardt, die seit 25 Jahren in ihrem „Mona Lisa Dessous“ feine Unterwäsche anbietet. Vor ihrem Laden zeigt heute eine Hutmacherin ihr Können, darin geben sich die Kunden die Klinke in die Hand.

„Viele verbinden einen Besuch der neuen Geschäfte mit einem Bummel durch die Altstadt“, sagt Erhardt. Die wiederbelebte City sieht sie nicht als Konkurrenz, sondern als Chance. „Es ist doch toll für die Leute, dass es das Neue gibt. Und es ist ebenso schön für sie, dass es weiter unsere Läden in der Altstadt gibt.“

 

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