Eine weißgrüne Welle schwappt über die Stadt

18.4.2012, 10:10 Uhr
Eine weißgrüne Welle schwappt über die Stadt

© Hans-Joachim Winckler

Gustavstraße, 9 Uhr. Vor wenigen Stunden lag hier das Epizentrum des Aufstiegbebens, jetzt ist Ruhe in der Kneipenmeile eingekehrt. Das Scherbenmeer aus zerbrochenen Flaschen hat die Stadtreinigung bereits beseitigt. Im Fenster eines Cafés erinnert ein großer Zettel an das rauschende Fest. Wegen des „fantastischen Abends“ werde heute erst um 15 Uhr geöffnet.

Einige Meter weiter, in einem Eckhaus an der Gustavstraße, wohnt die wohl älteste SpVgg-Anhängerin der Stadt: Berta Pöppl feierte im März ihren 104. Geburtstag und wünschte sich nichts sehnlicher als den Aufstieg. Am Montagabend war es so weit. „Bis drei Uhr in der Früh ist’s zouganga. Nie mehr Zweite Liga ham’s gsunga“, sagt die alte Dame, die das Spektakel aus ihrem Fenster beobachtet hat. „Ein Remmidemmi“ sei’s gewesen, „aber schee war’s.“ Und: „A größere Freud’ hätten’s mer gar net machn kenna.“

Die meisten, die am Abend unter Pöppls Fenster feierten, sind jetzt am Arbeitsplatz – oder in der Schule. Am Eingangstor des Schliemann-Gymnasiums hängen sechs weißgrüne Schals, Direktor Reinhard Heydenreich hat sie anbringen lassen. „Toll“ findet er es, dass auch viele Schüler Flagge zeigen, einige hätten sogar ihre Tische im Klassenzimmer weißgrün dekoriert. Zehntklässlerin Kathrin Däumler eilt gerade in die nächste Unterrichtsstunde. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie im Trikot in der Schule und schwärmt davon, dass immer mehr Fans ihre Liebe zum Kleeblatt ganz offen zur Schau tragen.

Tom Pöllmann vom Fan-Shop am Kohlenmarkt kann das nur bestätigen. „Sehen Sie“, sagt er und deutet auf leere Haken: „Die Schals sind gerade ausverkauft.“ Es wolle eben jeder zeigen, dass er dazu gehört. Eine Frau kommt herein, fragt nach Fähnchen fürs Auto. Ausverkauft. „Ach, Mensch!“ Pöllmann tröstet: Nachschub kommt Ende dieser Woche.

In der Theaterstraße hat Bäckermeister Rolf-Dieter Wehr tief in seinen Fan-Fundus gegriffen. „Die Kreativität meines Mannes“, sagt Barbara Wehr und grinst, „hat heute Morgen ungeahnte Ausmaße angenommen.“ Fahne, Trikots, Kissen und mehr – alles in Weißgrün und mit Kleeblatt drauf – schmücken nun das Schaufenster der kleinen Familienbäckerei. „Auf diesen Aufstieg haben wir so lange gewartet, endlich ist’s so weit“, jubelt Rolf-Dieter Wehr. Seit Jahren hat das Ehepaar Dauerkarten für die Gegengerade. Prima, finden sie’s, wenn nun statt Karlsruhe oder Aue die Bayern in den Ronhof kommen. Darüber hinaus habe die Erste Liga einen Riesenvorteil: Die Anstoßzeiten sind viel besser mit den Öffnungszeiten der Bäckerei vereinbar.

Nur wenig Schlaf

Am Radio hatte Roland Kastner den Dresdner Sieg gegen Düsseldorf verfolgt, der das Fürther Glück komplett machte. „Ich freu mich für die Mannschaft und die Stadt“, sagt der frühere SpVgg-Torwart und Inhaber eines Sportgeschäfts. Schön, dass der Aufstieg schon so zeitig fest stehe, da halte die Feierlaune länger an. Schmunzelnd erzählt er, dass der Fürther Stadionsprecher soeben in seinem Laden stand. „Der war bis 5 Uhr unterwegs und hat vorhin kaum noch einen Ton hervorgebracht.“

Peter Heßler hat ebenfalls wenig Schlaf gefunden. Der Wirt des Gelben Löwen, in dem zu später Stunde die SpVgg-Kicker zum Feiern einkehrten, sitzt nun am Schreibtisch seiner Arztpraxis – Sprechstunde – doch die Bilder der Nacht sind noch im Kopf. „So etwas ist nie da gewesen, eine Riesensache.“ Die Gustavstraße proppenvoll, der Gelbe Löwe auf allen Kanälen. Sport1, Sat1, ZDF, der BR – sie alle hatten Kamerateams vor Ort. Auch in Heßlers Praxis ist die SpVgg Stadtgespräch. „Die Patienten sitzen hier, wir reden drei Minuten über Medizin und den Rest über Fußball – die Leute sind glücklich.“ Ist der Aufstieg auch eine Art Medizin? „Na ja“, entgegnet Heßler lächelnd, „zumindest Balsam für die Seele.“

Weitere Berichte zum Aufstieg lesen Sie in der Printausgabe auf Seite 3 und 4 des Lokalteils sowie im Politikteil auf Seite 3.

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