Elefantenbullen mit Heavy-Metal-Antrieb

25.10.2016, 17:25 Uhr
Elefantenbullen mit Heavy-Metal-Antrieb

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Bassinstrumente fallen in erster Linie durch ihre Größe auf, durch Unhandlichkeit. Es bedarf einer gewissen Kraft, einen Kontrabass im Gleichgewicht zu halten, die Greifhand in Kopf- oder Schulterhöhe zu bewegen. Doch wenn der Bass sich an den Körper lehnt, stellt sich auch eine Intimität ein, eine Vertrautheit zwischen Instrument und Spieler, die allenfalls noch mit dem Cello erreichbar ist.

Was für Saiteninstrumente gilt, gilt auch für Blasinstrumente. All die Tenor- und Altsaxofone fallen geradezu zierlich aus gegen das beinah mannshohe Bass-Saxofon, das Scott Robinson ins Kulturforum wuchtet. Allein sein Schalltrichter nimmt es mit jedem Basketballkorb auf.

Feuer und Wasser sind gute Diener, aber schlechte Herren“, besagt ein Sprichwort. Nun legen Bassinstrumente zusammen mit dem Schlagzeug das rhythmische Fundament für die helleren Hauptinstrumente, sie dienen also dem Ensemble. Was aber, wenn die dunklen Töne selbst die Hauptrolle übernehmen? Könnte das nicht bald langweilig werden, immer nur Klangfarben im Infraschallbereich? Bass-Koryphäe Greg Cohen, Professor am Berliner Jazz-Institut, und sein Freund und Mitstreiter Scott Robinson, der unter anderem an der Musikhochschule Nürnberg eine Saxofon-Meisterklasse leitet, beweisen das Gegenteil. Allein zu zweit, ohne Perkussion, bestreiten sie Rhythmus und Melodieführung gleichzeitig.

Anfangs legt Cohens Kontrabass den Rhythmus vor, auf dem Robinson mit seinen Instrumenten soliert. Doch kaum hat man sich eingehört, emanzipiert sich der Bass, dann improvisiert Cohen drauflos, während Robinson ihn begleitet, dann mäandern die Melodielinien kreuz und quer, und der Zuhörer sieht einen streunenden Kater vor sich, der in jedes Loch sein Auge wirft, Bäume besteigt oder sich auf verdächtig raschelnde Laubhaufen stürzt. Dabei belässt Greg Cohen es nicht beim Zupfen allein, er lässt die Saiten auch gegen das Griffbrett knallen, dass es nur so schnalzt. Gelegentlich bringt er mit dem Bogen den Kontrabass zum Singen, entlockt ihm aber auch röchelnde und kratzende Geräusche.

Saxofone bewegen sich meist zwischen erotischen und melancholischen Klangfarben. Doch so ein Bass-Sax klingt in seiner Phrasierung geradezu dreist. Mal erinnert es an einen Rülpser aus tiefster Kehle, dann wie der Balzlaut eines Elefantenbullen. Irgendwann taucht inmitten der Improvisationen eine Melodie auf, die seltsam vertraut anmutet, die man aber so noch nicht gehört hat. Endlich fällt der Groschen: Das ist „Smoke gets in your Eyes“, das schmalzige Rührstück der Platters. Was damals im Ensemblegesang dargeboten wurde, zelebrieren Cohen und Robinson im Zeitlupentempo, extrem langsam und gefühlvoll und mit einer Tiefentönung, dass man glaubt, das Magma im Erdinnern blubbern zu hören.

So viel kriechende Spannung ist kaum noch auszuhalten. Endlich erlöst Scott Robinson sich und die Zuhörer zum Abschluss mit einer Saxofon-Eruption, mit wildestem Freejazz, ja geradezu Heavy-Metal- Gebläse.

Nach gerade eineinhalb Stunden ist das Konzert schon aus. Schade. Aber wenn Diener sich zu Herren aufschwingen, fordert das den ganzen Mann und alle Kraft.

Nächster Termin der Fürther Jazzvariationen: Markus Schieferdecker und sein Bandprojekt „Asteroid 7881“ heute, 19.30 Uhr, Grüne Halle (Krautheimerstraße 11). Karten im Vorverkauf (14/11) nur im Café der Grünen Halle und an der Abendkasse (19/16 Euro).

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