Enorm engagiert

5.2.2011, 19:00 Uhr
Enorm engagiert

© Mark Johnston

„Zünde lieber ein Licht an, als über die Dunkelheit zu meckern.“ So, meint Jung beim Empfang im Rathaus, könnte das Lebensmotto von Bella Rosenkranz lauten. Dabei wirft er der Holocaust-Überlebenden einen raschen Blick zu, ganz so, als rechne er mit ihrem Protest. Doch der bleibt aus. Vorerst. Mit unbewegter Miene und aufrechter Haltung hört Bella Rosenkranz zu, während Jung Stationen ihres Lebens Revue passieren lässt.

Stationen eines unglaublichen Lebens, das längst zum Roman wurde. Bella Rosenkranz, 1921 in Fürth geboren, lebte hier im jüdischen Waisenhaus, wurde als 17-Jährige im Rahmen der „Polen-Aktion“ deportiert und schlug sich in die Sowjetunion durch. Dort galt sie als Feind, wurde gefangen genommen, ins Arbeitslager gesperrt. Nach Kriegsende heuerte sie auf russischen Frachtern an und fuhr zehn Jahre zur See. 1961 erst konnte sie nach Franken zurückkehren.

Diese Frau, schwärmt Jung, verstehe sich als „waschechte“ Fürtherin. Sie setze sich für die Israelitische Kultusgemeinde ein und für den Dialog zwischen Fürther Christen und Juden, sei stets eine kompetente Ratgeberin bei Besuchsaufenthalten ehemaliger Fürther Juden in der Kleeblattstadt und trage mit ihrem Buch „Bella“ dazu bei, dass spätere Generationen das Grauen der Nazizeit nachempfinden könnten. Mehr noch: „Sie ist eine Frau mit vielen Talenten wie der Schriftstellerei, Musik und Tanz und man kann sie zu Recht als engagierte, resolute, oftmals auch kritische Streiterin für das jüdische Leben in Fürth bezeichnen.“

Bella Rosenkranz ist an diesem Tag trotz Blitzeis zu Fuß von ihrer Wohnung in der Innenstadt ins Rathaus gekommen. Während sich etliche Menschen bei der Begegnung mit dem harten Pflaster die Knochen brachen (siehe S.1, Lokalteil), winkt die zierliche 89-Jährige gelassen ab: Sie sei auf der nicht ganz so glatten Fahrbahn gelaufen. „Außerdem habe ich den fließenden Gang einer Tänzerin.“

Eben noch hat der OB sie als „ganz großartige Persönlichkeit“ bezeichnet. Bella Rosenkranz bedankt sich dafür, gesteht aber schon im nächsten Augenblick: „Ich fühle mich bei Ihrer Rede über mein eindrucksvolles Leben nicht ganz wohl. Denn ich weiß nicht, was ich für die Stadt Fürth getan habe — außer dass ich hier lebe.“ Das hört sich aufrichtig an, auch etwas schroff. Die Umstehenden quittieren es mit Beifall und Lachen.

Sehr stolz

Seit 1997 verleiht die Stadt den Ehrenbrief als vierthöchste Auszeichnung nach der Ehrenbürgerwürde, der Goldenen Bürgermedaille und dem Goldenen Kleeblatt. 55 Männer und Frauen haben die Auszeichnung bisher erhalten. Einer von ihnen ist Fritz Hundt.

„Ein Tag ohne Lied ist ein verlorener Tag“, sagt der Oberbürgermeister, und am schmunzelnden Nicken des Geehrten lässt sich ablesen, dass er sein Leben unter diesem Motto richtig verstanden sieht. Der Sohn eines Bäckermeisters kam in Breslau zur Welt. Die Familie wurde von den Sowjets vertrieben, gelangte über Umwege nach Fürth und eröffnete eine Bäckerei in der Schwabacher Straße. In der Soldnerstraße führte Hundt den väterlichen Betrieb weiter, von 1968 bis 2000. Überdies aber ist der heute 72-Jährige seit über 35 Jahren ehrenamtlich engagiert. Als Schriftführer und Werbewart der Bäcker-Innung Fürth (1971 bis 1993) drehte er als Hobbyfilmer Videos über das Bäckerhandwerk und warb damit bei jungen Leuten für seinen Beruf. „Das war sehr modern“, betont Jung. Damit nicht genug: Jahrelang war Hundt stellvertretender Obermeister der Bäcker-Innung in Fürth, steht seit 1991 dem Bäckergesangverein Fürth vor. Und seit 2004 ist er auch zweiter Vorsitzender des Bayerischen Bäckersängerbundes. „Der Mann hat’s echt verdient“, soll der erste Vorsitzende Willi Sroka spontan gerufen haben, als er von der Auszeichnung erfuhr.

„Tja, was soll ich sagen...“, meint der Geehrte und ringt um Worte. „Ich war immer bestrebt, das Beste aus meinem Leben zu machen. Und der Tag heute zeigt mir, dass ich einiges nicht falsch gemacht habe.“ Das Singen, fügt er launig hinzu, könne er Leuten um die 70 übrigens nur empfehlen: „Es fördert die Beatmung doch sehr.“ Im Lachen der Runde klicken die Kameras — nicht nur die der Profis. Felix (6) und Moritz (4), die jüngsten von Hundts sechs Enkelkindern, sind mit ins Rathaus gekommen und halten eifrig den Moment fest, in dem sie auf ihren Opa sicher sehr stolz sind.