Ergreifend gut

28.10.2013, 12:00 Uhr
Ergreifend gut

© Hans-Joachim Winckler

Man vergesse das übliche Schema einer Oratorienaufführung. Zum einen, weil Orchester und Dirigentin, die auch fürs Gesamtkonzept verantwortlich zeichnet, im Orchestergraben verschwanden. Zum anderen, weil hier der Chor nicht nur musikalisch im Mittelpunkt stand, sondern auch in der szenischen Gestaltung. Was Regisseur Christian Schidlowsky mit der Fränkischen Kantorei erarbeitet hat, geht weit über das hinaus, was üblicherweise ein Opernchor mit einstudierten Gesten und oft pathetischem Gehabe zu bieten hat.

Wenn Esther mit sich ringt, ob sie zum König gehen soll, um Haman anzuklagen, bewegt sich der Chor langsam, bleibt stehen, geht weiter und verleiht der Szene etwas Ergreifendes, die Spannung Aufstauendes. An anderer Stelle stehen die Choristen wie versteinert da, halten in der Bewegung inne, stützen sich auf den Nachbarn, blicken sich an, lassen die Handlung stumm lebendig werden. Auf der Bühne ohne Requisiten wird mittels auf Leinwand projizierter Schriften das Geschehen zusammengefasst, dazu kommt ein Sprecher (Norbert Küber), der den Zusammenhang mit der Vorgeschichte herstellt.

Markante Stellen der Handlung unterbrechen und vertiefen die „Drei Orchesterstücke“ von Johannes Brinkmann, die im Stadttheater als Uraufführung erklangen. Furios auffahrende, dann wieder elegisch-intensive Klangreihen, ein krasser Gegensatz zum barocken Klangmuster Händel’scher Prägung und nicht nur Kontrast und Symbiose, sondern aufrüttelnde, verstärkende Ausdrucksform.

Zur szenischen Meisterschaft gesellte sich bei den Sängerinnen und Sängern der Fränkischen Kantorei unter KMD Ingeborg Schilffarth musikalische Höchstform — immerhin war das Ensemble in der englischen Originalsprache und meist auswendig singend unterwegs. Grandios der Schlusschor voller Klangvolumen, exakter Koloraturen und rhythmischer Präzision. Auch in den ruhigeren Passagen überzeugten Ausdruck und Homogenität. Was die Vokalsolisten betrifft, so hatte Schilffarth ausnahmslos Spezialisten für Barockmusik ausgewählt, fernab von opernhafter Dramatik und Stimmgewalt. Margaret Hunter in der Titelrolle und Manuel König als Ahasveros formten das Duett und die Arien in der fünften Szene zu Höhepunkten des Abends, Bernhard Spingler sang mit geschmeidiger Bassstimme den Haman, Manuel Warwitz mit lyrischem Tenor den Mordechai. Auch die weiteren Solisten (Jennifer Rouse, Victor Schiering und Altus Andreas Pehl) überzeugten. Ins hohe Niveau fügten sich die drei Chorsolisten Carsten Haas, Christian Huber und Christoph Nebas nahtlos ein. Wesentlichen Anteil an dieser exzellenten Interpretation hatte das Ensemble Kontaste, das stilsicher und präzise auf Barockinstrumenten musizierte.

Nicht nur wegen des 50-jährigen Jubiläums der Fürther Kirchenmusiktage ist diese Produktion ein Meilenstein der Festivalgeschichte. Schilffarth ist es zu verdanken, dass in Fürth Türen zu neuen Darstellungsformen geistlicher Musik aufgestoßen werden.Mit einem ökumenischen Festgottesdienst in St. Paul (Amalienstraße 64) gehen am Sonntag um 17 Uhr die Fürther Kirchenmusiktage weiter. Im Mittelpunkt stehen Wolfgang Amadeus Mozarts Krönungsmesse und Te Deum, dirigiert von Andreas König und Matthias Hofknecht. Neben Gesangssolisten sind der Chor der Heinrichskirche sowie Chormitglieder der Gemeinden Zu Unserer Lieben Frau und Christkönig (Einstudierung und Continuo: Dieter Neuhof) dabei.fn

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