Ergreifende Spurensuche: Die Fürther Altschul in Bildern und Zitaten

21.7.2017, 19:10 Uhr
Ergreifende Spurensuche: Die Fürther Altschul in Bildern und Zitaten

© Foto: Thomas Scherer

Was soll man zeigen, wenn die Spuren vernichtet wurden? Wie kann man Zeugnis ablegen für einen Verlust, der sprachlos macht? Als Verena Erbersdobler vor über einem Jahr daran ging, die Ausstellung zu konzipieren, war ihr die Herausforderung bewusst: "Es gibt keine Objekte, die man vorstellen kann."

Das einzige Zeugnis

Bis auf eines. In einer Vitrine liegen ein paar Seiten aus einem Machsor, einem Gebetbuch für Feiertage. Ein Mädchen fand sie am Morgen des 10. November 1938 in der Königstraße und hob die Blätter auf. Unweit davon war in der Nacht die Altschul in Brand gesetzt worden. Bis heute, sagt die Kuratorin, ist dieses Fragment das einzige greifbare Zeugnis. Die Hauptsynagoge wurde nach der Zerstörung abgetragen, die Trümmer fortgeschafft. Wohin? Die Spurensuche blieb bislang tatsächlich ergebnislos.

Vernichtet wurden auch die anderen Gebäude auf dem sogenannten Schulhof, zwischen Königstraße und (alter) Mohrenstraße, dem Herzen des jüdischen Lebens in Fürth. Hier standen drei weitere Synagogen, Talmudschulen, ein Rabbinerhaus, ein Ritualbad, eine koschere Fleischerei. "Nach der Shoa", so schreibt Museums-Chefin Daniela Eisenstein im Begleitheft zur Ausstellung, "wandelte sich die Altschul im öffentlichen Bewusstsein vom Wahrzeichen Fürths zum Sinnbild der Auslöschung einer der bedeutendsten süddeutschen, jahrhundertelang ansässigen jüdischen Gemeinden." Heute ist das Areal überbaut, seit 1986 wird mit einem Mahnmal, das der in Fürth lebende japanische Künstler Kunihiko Kato schuf, in der heutigen Geleitsgasse an die Altschul gedacht.

Ihr Standpunkt lässt sich ohne Weiteres nicht mehr ausmachen, deshalb beginnt die aktuelle Schau mit einem Blick auf historische Karten. So wird deutlich, dass die Hauptsynagoge, vom Löwenplatz aus gesehen, rechts von Katos Denkmal zu finden war. Am 23. Februar 1617 war die feierliche Einweihung.

Nicht lange darauf erreichten die Folgen des Dreißigjährigen Krieges Fürth. Das Gebäude wurde als Gefängnis beschlagnahmt, später als Pferdestall. Doch es blieb – wie die nahe Michaelskirche und das Geleitshaus – von dem verheerenden Brand verschont, der 1634 ganz Fürth in Schutt und Asche legte.

Konkret wird die Ausstellung nun dank der überlegten Präsentation von Bildern und Zitaten aus zeitgenössischen Berichten oder Chroniken. Zu sehen sind unter anderem bislang noch nie gezeigte Fotografien aus der Altschul, die Paul Seligmann um 1936 aufnahm. Es sind beeindruckende Bilder von der Harmonie und Schönheit des Gebäudes. "Wahrscheinlich sind es die letzten, die vor der Pogromnacht gemacht wurden", sagt Verena Erbersdobler. Dass die Bilder überhaupt noch existieren, liegt nur daran, dass Paul Seligmann sie einem Freund geben konnte, bevor er ins KZ verschleppt wurde.

Seligmanns Fotos

Der Fotograf zählte zu den Überlebenden des NS-Völkermords an den Juden. Allein seine Fotos bewahren bis heute einen Eindruck von dem, was die Altschul bedeutete. Berührend ist nicht zuletzt eine versehentlich zweifach belichtete Aufnahme – nicht nur ein Blick in den Innenraum ist darauf zu erkennen, sondern auch ein Mann. Ob er Rabbi war oder Kantor, das lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen.

Im letzten Raum wird mit wenigen klugen Gesten der weite Bogen aufgespannt, den diese Schau umfasst. Glanz und Zerstörung werden dokumentiert vor dem gleichen Hintergrund — einem dunklen Rot, das Ausdruck würdevoller Feierlichkeit ist und doch schon im nächsten Moment an die Farbe der Flammen gemahnt.

Z"Von Glanz, Zerstörung und Verlust — 400 Jahre Fürther Altschul": Jüdisches Museum Franken (Königstraße 89). Bis 29. September. Die Ausstellung wird begleitet von einem Programm mit Führungen und Vorträgen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare