Es lebt noch: Drechsler-Handwerk gehört zum Kulturerbe

18.9.2018, 16:00 Uhr
Es lebt noch: Drechsler-Handwerk gehört zum Kulturerbe

© Foto: FN-Archiv

Im Schloss Schleißheim bei München wurde vor kurzem mit der feierlichen Urkundenübergabe die Aufnahme des Drechsler-Handwerks ins immaterielle Kulturerbe Bayerns besiegelt. "Wir sind stolz und glücklich, dass damit ein echtes Traditionshandwerk die öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung erhält, die es verdient", sagt Thomas Mörtel, der im Fürther "Haus des Handwerks" auch die Geschäfte des Deutschen Drechsler- und Holzspielzeugmacherverbandes führt.

Dass dieser bereits seit 1973 in der Kleeblattstadt beheimatet ist, sei kein Zufall, heißt es in einer Pressemitteilung der Kreishandwerkerschaft Fürth. Franken gelte heute als eines der Zentren im Hinblick auf die Weitervermittlung der Fähigkeiten und Techniken dieser Handwerkskunst, deren erste Spuren sich in Ägypten finden und 4500 Jahre zurückreichen.

Die Technik des Drehens zur Bearbeitung rotierender Werkstücke aus Holz, Horn, Bernstein oder Elfenbein werde vor allem in kleinen Betrieben bewahrt, etwa bei Drechslermeister Frank Grottenthaler aus Nürnberg, Vorstandsmitglied im Bundesverband, oder aber bei Drechslermeister Wolfgang Miller in Maßbach. Der stellvertretende Vorsitzende des 1879 gegründeten und heute etwa 100 Mitglieder zählenden Drechslerverbandes leitet im nahen Bad Kissingen auch die dreijährige Fachausbildung des Nachwuchses an der Berufsschule – einem von nur noch zwei Standorten in Deutschland. Denn Lehrlinge sind rar.

Wolfgang Miller, der die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes initiiert und in zweijährigen Bemühungen vorangetrieben hat, glaubt an eine positive Initialzündung: "Ich hoffe, dass dadurch die Kollegen wieder mehr Stolz auf ihren Beruf und Standesbewusstsein entwickeln und auch wieder mehr Auszubildende in ihre Betriebe aufnehmen, um ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben."

Sie stiften Gemeinschaft, Identität und Sinn

Solche handwerklichen und gesellschaftlichen Traditionen zu bewahren, ist eines der Ziele des immateriellen Kulturerbes. Marion Kiechle, Bayerns Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, sieht darin "lebendige kulturelle Ausdrucksformen", die Gemeinschaft, Identität und Sinn stiften und Bayern unverwechselbar machen. Bis dato führt das Verzeichnis unter anderem das Flechthandwerk auf und die Mal-, Fass- und Vergoldetechniken der Kirchenmaler, aber auch Traditionen wie die Schafhaltung oder eben – seit diesem Jahr – die Fürther Michaelis-Kirchweih.

Zur Illustration ihres Handwerks brachte die Drechsler-Delegation ein handgedrehtes, mannsgroßes Kaleidoskop nach Oberschleißheim mit und präsentierte es auf der Bühne. Wie sie erklärte, steht es sinnbildlich auch für die "moderne, anspruchsvolle Produktpalette" der etwa 1600 deutschen Drechslerbetriebe. Ein Viertel davon sind allein in Bayern ansässig. Das Angebot reicht von kunstvollen Schalen und Leuchtern über Gebrauchsgegenstände wie Eierbecher und Pfeifen bis zu Schachfiguren und Drum-Sticks. Gearbeitet wird traditionell von Hand an der Drehbank – oder mit modernen CNC-Automaten.

Viele berufliche Perspektiven

Eine handwerklich-künstlerische Kombination, die nach Ansicht von Kreishandwerkerschafts-Geschäftsführer Mörtel mit Aufstiegsmöglichkeiten etwa zum Meister, Techniker oder Betriebswirt des Handwerks sowie durch Studiengänge in Bereichen wie Produktdesign für viele junge Leute attraktiv sein sollte – wenn sie denn bekannter wäre.

Aber das kann ja noch besser werden: Die Drechsler wollen ihre für die Kulturerbe-Bewerbung gesammelten Infos künftig in Broschüren für den Nachwuchs einbringen. Und sie hoffen – wie die Stadt Fürth mit ihrer Kirchweih – auf eine baldige Aufnahme auch ins Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Dieser nächste Schritt wäre noch einmal eine hervorragende Werbung.

Keine Kommentare