"Kalb Housing Fürth": Facebook-Seite entzückt Amerikaner

10.2.2015, 21:00 Uhr

© Foto: Kaisha-Cosima Spindler

Plötzlich stimmte etwas mit der Zuckerwatte nicht mehr. Die blaue und die rosafarbene waren verschwunden, nur noch in fadem Weiß gab es die klebrige Süßigkeit auf dem Volksfest. „Ich habe meine Mutter gefragt, warum, und sie sagte: Die Amerikaner sind weg“, erzählt Stephanie Spindler (31). Sie muss neun gewesen sein, schätzt sie, über Amerikaner hatte sie sich nie Gedanken gemacht.

Heute ist das anders. Spindler, die in Nürnberg aufwuchs, zog mit ihren beiden Kindern vor vier Jahren nach Fürth, in die Kalb-Siedlung, arbeitet hier als Erzieherin. Sie hat sich eingelesen in die Geschichte dieses Viertels. Und hatte irgendwann die Idee mit der Facebook-Seite. „Ich fragte mich, wer sind die Menschen, die das hier einmal ihr Zuhause nannten“, schreibt sie auf der Internetseite.

Am 26. Dezember ging die Seite online, fünf Tage später hatte sie 500 Mitglieder. „Das war unglaublich“, sagt Marco Frömter (39), ein Freund von Stephanie Spindler. Den Silvesterabend verbrachten die beiden damit, die Anfragen freizuschalten, „neben dem Raclette lief der Laptop“.

© Foto: Kaisha-Cosima Spindler

Frömter ist in der Südstadt aufgewachsen, in den 80er Jahren, als sich hier zwei Welten trafen. Seine Eltern hatten viele amerikanische Bekannte, er spielte mit den Nachbarskindern aus der Kalb Housing Area und liebte es, in der „PX“ einzukaufen. Amerika war nur wenige Schritte entfernt.

Die eindrücklichste Erinnerung an die Zeit? „Das Gefühl, du gehst durch einen Schlagbaum und bist in einer anderen Welt, von A nach B. Als Kind war das ganz intensiv“, sagt er. Bis heute ist Frömter, selbst ein ehemaliger Soldat, fasziniert von diesem Kapitel deutsch-amerikanischer Geschichte. Es ist kein Zufall, dass er Vorsitzender des German American Men’s Club of Middle Franconia ist, in dem Deutsche und ehemals in der Region stationierte Amerikaner Kontakte pflegen.

Frömter wusste, dass es Facebook-Seiten zu den Monteith Barracks und den Johnson Barracks in Fürth gibt, zu den Merrell Barracks in Nürnberg oder den Ferris Barracks in Erlangen. Er ermunterte Spindler: Eine zur Kalb Community fehlte noch. Mit einem solchen Ansturm aber hatte er nicht gerechnet.

Die Seite ist zu einem virtuellen Klassentreffen geworden. 90 Prozent der Nutzer sind Amerikaner, kommuniziert wird fast ausnahmslos auf englisch, und jedes Foto, das hochgeladen wird, wird gefeiert. „Is this Fronmueller Strasse?“, fragt eine Frau zu einem der Bilder. Sie habe im dritten Gebäude von der Schule aus in Richtung PX gewohnt. „Yes, it is“, antwortet der Fotograf, ein Fürther. „Home sweet home“, notiert dazu eine weitere Nutzerin. Ist das die alte „Launderette“, der alte Waschsalon?, fragt jemand unter einem anderen Foto und erfährt: Daraus ist ein ökomenisches Zentrum geworden.

Schnell fingen die Nutzer an, selbst in Fotoalben zu blättern. Man sieht alte Klassenfotos, junge Cheerleader, die High School (die heutige Hans-Böckler-Schule), wie sie in den 60ern einen neuen Anstrich bekommt, ein altes Kinoprogramm fürs „Community Theater“. Damals lief der Musik-Film „Hair“ – der Eintritt: 1,50$.

Erinnerungen werden wach: an den netten „Herrn Pincher“, der Eis verschenkte; an diese „old lady Emily“, die ihr Haar gern blau färbte; an erste Jobs, Ski-Ausflüge („Das Mädchen mit der Krücke bin ich – das Bein war gebrochen“, schreibt eine), den Abschlussball in der Schul-Cafeteria.

Es sind süße Erinnerungen. Die Amerikaner schwärmen von glücklichen Tagen in Fürth – und saugen Neues dankbar auf: „Toll, was die Deutschen aus unseren Häusern gemacht haben!“, schreibt eine Frau. In der Gruppe sind aber auch Menschen aus der Südstadt, erzählt Spindler. Einer, Andreas Kreuzer, ermöglichte ihr und Frömter eine Foto-Tour in der Böckler-Schule. Die Fotos sind längst online. Und wurden natürlich geliked.

Stephanie Spindler hofft auf weitere Mitglieder, die Fotos für die Gruppe „US Army Kalb Family Housing Fuerth“ beisteuern können.

Keine Kommentare