Fanrechtetag in Fürth: Fußballfans als Bürgerrechtler

1.11.2018, 14:35 Uhr
Der Fanrechtetag soll Kleeblattfans über ihre Rechte aufklären.

© Sportfoto Zink / MeZi Der Fanrechtetag soll Kleeblattfans über ihre Rechte aufklären.

Wenn am Samstag zum zweiten Mal in Fürth ein Fanrechte-Tag stattfindet, wird es natürlich auch um das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz gehen. In den aktiven Fanszenen gab es Monate lang Proteste gegen die umstrittene Verschärfung des PAG. Doch es wird bei der Veranstaltung, die vom Weiß-Grünen Hilfefonds und dem Fanprojekt (Beginn 15 Uhr, Theresienstraße 17) organisiert wird, längst nicht nur darum gehen.

Denn Sorgen um ihre Bürgerrechte machen sich viele Fans nicht erst seitdem das umstrittene Gesetz vom bayerischen Landtag verabschiedet wurde. "Wir als Fanhilfe haben gesehen, dass in den letzten Jahren gerade die kritischen Fans, die sich nicht dem konsumorientierten Wahnsinn hingeben, in den Fokus der Sicherheitsbehörden rücken. Gerade auch junge Fans", sagt Fabian Weber (Name geändert). Er engagiert sich im Weiß-Grünen Hilfefonds und möchte seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er befürchtet, dass sein Arbeitgeber das Engagement kritisch sehen könnte. Aktive Fußballfans haben in Deutschland nicht das beste Image.

Bewusstsein schaffen

Dass es durchaus Probleme mit Gewalt im Stadion gibt, bestreitet auch er nicht. "Klar muss man das Thema angehen. Gewalt gibt es in der Gesellschaft und deshalb auch im Fußballstadion. Aber man muss das in Relation sehen: Auf dem Oktoberfest gibt es an einem Tag mehr Straftaten als in der ganzen Bundesliga-Saison."

Was er und andere Fans hinterfragen, ist die Verhältnismäßigkeit, mit der Sicherheitsbehörden rund um Fußballspiele agieren. Der Fanrechte-Tag, so Weber, solle dazu beitragen, bei den Anhängern ein Bewusstsein für die eigenen Rechte im Umgang mit Sicherheitsbehörden zu schaffen. "Fans geben ihre Rechte nicht am Stadiontor ab, sondern sie gelten dort wie auch im normalen Leben. Darüber wollen wir aufklären", sagt er.

Unterstützung vom Fanprojekt

Unterstützt wird der Hilfefonds vom Fanprojekt, das an Spieltagen auch eine Art Mittlerfunktion zwischen den Anhängern, dem Verein und den Sicherheitsorganen bildet. "Wir unterstützen die Selbstorganisation von Fans. Uns ist sehr daran gelegen, dass Fans unter sich ihr eigenes Unterstützungsnetzwerk schaffen. Das ist ein Grundsatz von Jugendarbeit: die Leute zu ermächtigen, sich selbst zu helfen", sagt Christjan Böncker vom Fanprojekt.

Gigantische Überwachung

Ein Thema, das bei der Veranstaltung am Samstag besonders im Fokus stehen wird, ist die Überwachung. Warum das unter Fußballfans momentan für viele Diskussionen sorgt? Dafür muss man zum Beispiel nach Sachsen blicken: Die BSG Chemie Leipzig mag dort momentan "nur" in der Oberliga spielen, ihre Fanszene zählt jedoch zu den aktivsten in Deutschland. Gleich zweimal standen die Chemie-Ultras, die als eher linksalternativ und antirassistisch engagiert gelten, zuletzt im Zentrum von Abhörskandalen. Zwischen 2013 und 2016 sowie zwischen 2015 und 2018 ermittelten die Sächsischen Behörden gegen Leipziger Fans wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Bei diesem Vorwurf reicht schon ein geringer Anfangsverdacht, um Überwachungsmaßnahmen gegen die Beschuldigten einzuleiten.

Beide Verfahren wurden ergebnislos eingestellt. Vorher jedoch setzte sich eine Überwachungsmaschinierie in Gang: In beiden Ermittlungsverfahren wurden hunderte von Menschen abgehört, die mit den Beschuldigten Kontakt hatten. Darunter Freunde oder Familienmitglieder, aber auch Ärzte, Journalisten und Anwälte.

"Eine schwierige Situation"

Auch die komplette Telekommunikation eines Mitarbeiters des Leipziger Fanprojektes wurde überwacht. Dabei sind diese Mitarbeiter Sozialarbeiter und unterliegen einer Schweigepflicht. Sie sind darauf angewiesen, dass ihnen ihr Klientel vertrauen kann. Deshalb hat der Fall bei Fanprojekten bundesweit für Protest gesorgt. "Wir machen akzeptierende Arbeit, wir arbeiten nah an unserem Klientel. Dafür brauchen wir die Sicherheit, dass das, was wir von den jungen Leuten erfahren, nicht gegen sie verwendet werden kann", sagt Matthias Kosubek vom Fürther Fanprojekt.

Fanrechtetag in Fürth: Fußballfans als Bürgerrechtler

© Foto: Wolfgang Zink

Die Befürchtung: Die soziale Arbeit, die ja auch der Gewaltprävention dient, werde so kriminalisiert. "Wir können uns immer darauf zurückziehen, dass wir hier in Fürth ein Netzwerk haben, das super funktioniert. Da passt das Nähe-Distanz-Verhältnis zur Polizei, darauf können wir uns verlassen. Aber es bringt auch uns in eine schwierige Situation, wenn wir merken, dass Netzwerke an anderen Standorten nicht so funktionieren", sagt Christjan Böncker.

Die Überwachung der beiden Leipziger Ultragruppen hat auch deshalb Fans in ganz Deutschland aufmerksam gemacht, weil der Vorwurf einer kriminellen Vereinigung mit Handlungen wie dem Verschicken von Rund-SMS oder regelmäßigen Treffen vor den Spielen belegt werden sollte. Also Dingen, die fast jeder Fanklub in Deutschland so handhabt. "Doch aus was dieser Vorwurf (der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Anm. d. Red.) konstruiert wird, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass es hier um die strukturelle Kriminalisierung von Ultras und Fußballfans geht", schreiben die Leipziger Fans in einer Stellungnahme.

Der Fall mag ein besonders krasses Beispiel sein, viele organisierte Fans sehen ihn aber als Teil einer Entwicklung. "Die Behörden ziehen die Schrauben in den letzten Jahren schon stärker an. Das fängt damit an, dass man bei Fahrten in andere Städte viel stärker überwacht wird. Die Kameraüberwachung in den Stadien ist viel größer geworden. Auch der Einsatz von szenekundigen Beamten hat zugenommen", sagt Fabian Weber.

Beim Fanrechte-Tag soll es deshalb am Samstag auch darum gehen, Fußballfans für digitale Überwachung zu sensibilisieren: Welche Messenger-Dienste sind sicher, wie verhält man sich in sozialen Netzwerken? In einem Vortrag wird ein Rechtsanwalt zudem über die Auswirkungen des Polizeiaufgabengesetzes informieren – auf Fans, aber auch auf alle Bürger. Denn betroffen sind von Sicherheitsgesetzen schließlich nicht nur Fußballfans. "Das Stadion ist ja kein Mikrokosmos", sagt Weber. "Es ist ein Teil der Gesellschaft, in der wir leben."

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