Fantastische Entdeckungsreise

1.12.2007, 00:00 Uhr
Fantastische Entdeckungsreise

Schluss, mir langt es jetzt.» Mein Kopf ist prallvoll mit tausenden Gedanken. Einfach nur Ruhe, nur Ruhe, nicht nachdenken müssen, sich nur treiben lassen. Ohne Ziel mache ich mich auf den Weg durch die Stadt. Wahllos laufe ich entlang der Läden: Weihnachtsmänner in allen Variationen, groß, klein, schokoladig, aus Pappmaschee oder Plastik grinsen mich dumpf an, Engelchen lächeln, Sterne funkeln, Girlanden seit zwanzig Jahren verstaubt.

Es sind wenig Menschen in der Fußgängerzone, umso schräger klingt das Yellow Submarine, das ein Straßenclown auf seinem Schifferklavier spielt. Neben ihm kauert ein struppiger kleiner Hund mit braunen Knopfaugen. Nein, für die Musik bekommt er nichts, aber der Hund tut mir Leid. Ich ziehe meine letzten 50 Cent aus der Hosentasche und schmeiße ihn in den vergammelten Hut zu den wenigen Zehn-Cent-Stücken. Gleich fühle ich mich besser. Eine gute Tat am Tag, und schon ist es ein guter Tag. Mit einem Mal stehe ich vor einem Straßenzug, einem Boulevard gleich, rechts und links wunderbare alte, würdevolle Häuser, stilvoll verschnörkelt mit winzigen kleinen Balkonen. Ich bin entzückt. In der Mitte eine herrliche Allee alter Bäume, die, obwohl die Blätter längst abgefallen, erhaben wirkt. In der Mitte verläuft schnurgerade ein Weg und einige seltsame Skulpturen stehen oder besser liegen auf der Wiese herum.

Gänsegeschnatter reißt mich aus meiner Verzückung. Eine kleine, alte Frau kommt mir entgegen, hinter ihr watschelt gemächlich eine Gans . . . an der Leine. Die Frau bemerkt mein Erstaunen. «Gell, da schaun’S oba. Des is mei Marga. Die hob i vor dem Subbntopf grettet», erzählt sie mir und bleibt stehen. Marga kommt neugierig auf mich zu, und ich trete respektvoll einen Schritt zurück. «Ham’S ka Angst, die is zahm» meint die alte Lady. Sie kumma obba net vo do, gell?» Ich verstehe nichts, nicke aber vorsichtshalber artig mit dem Kopf.

Das war ein Fehler, den sofort ergeht ein Wortschwall über mich, von dem nur Fetzen hängen bleiben . . . die Adler, Eisnbo, vo Nemberch nach Fädd, hier hom fei die feina Leit gwohnt . . .» Ich lächle dumpf vor mich hin, trete von einem Fuß auf den anderen, trau mich nicht weg, weil sie mir so direkt in die Augen schaut. «Gell, Sie verstehn mi nett?» Ich lächle weiter und dann erklärt sie ganz langsam und deutlich. «Sie sollten mal in den Stadtpark gehen, der ist seeehr schön!» und zeigt mir den Weg nach rechts. Nichts lieber als dahin! Ich nicke freundlich der Dame und ihrer Gans zu, und schon bin ich in Richtung Stadtpark verschwunden.

Bei einem kleinen ungewöhnlich quadratischen Kirchlein finde ich den Eingang. Letzte blühende Rosen in vielerlei Rot-, Orange- und Gelb-Tönen. Durch die winterlichten Bäume scheinen die letzten Herbststrahlen, versteckte Winkel, versteinerte Engel, verwelkter Blumenzauber . . . Hier ist die Ruhe zu Haus, strömt es mir durch den Kopf. Ich setze mich auf eine der wenigen sonnenbeschienenen Bänke, auf der schon ein Herr sitzt, in eine Lektüre vertieft. Er schaut kurz und steckt die Nase wieder in sein Buch.

Es ist so herrlich hier, die Sonne wärmt mein Gesicht und scheint gar bis an mein Herz zu dringen. Ich werde auf einmal ganz ruhig und spüre für einen Moment eine Art Glück ohne Grund.

Von weitem kommt eine Gruppe Menschen auf mich zu. Fast direkt vor der Bank bleibt sie stehen. Ein Herr, wohl ein Parkführer, mahnt die Leute zur Ruhe und - welche Freude, vertraute Worte! Der Herr mit seinem auffällig buschigen, fast altmodischen Schnauzbart spricht perfekt meine Sprache. Er erzählt von dem Brunnen, dessen Fontänen im Winterschlaf sind, und welch wunderbare Feste und Bälle hier gefeiert werden. Im Ohr bleibt mir sein letzter Satz, «Jetzt können Sie vielleicht erahnen, warum dieser Park die heimliche Liebe der Fürther genannt wird . . .». Wie Recht er hat. Mein Nebenmann auf der Bank hat sein Buch zugeschlagen und schaut mich an.

«You are English?» beginnt er das Gespräch, «no, American», meine Antwort. «Dieser Park ist wirklich wunderschön. Ich gehe hier immer hin, wenn ich mal Ruhe und ein wenig Entspannung von meinem Radio brauche», erklärt er mir in bestem Englisch. Bei Radio werde ich hellhörig und frage nach. Er ist Chef vom Lokalradio, finde ich heraus und dass er große Sorgen mit gutem Nachwuchs hat. Meine Story von der Suche nach meinen Wurzeln, nach der Freddy-Quinn-Platte, nach Obi-Won und den abstrusen Abenteuern. «Junge, deine Geschichte ist gut, noch besser ist deine Stimme» sagt’s, drückt mir seine Visitenkarte in die Hand, «Komm morgen vorbei, ich habe vielleicht einen Job für dich», und geht schnellen Schrittes von dannen.

«Buff - ein Jobangebot in Fürth!» Ich bin platt. Mein Herz klopft bis zum Hals, mein Bauch spürt tausend Schmetterlinge . . . «Ja, warum eigentlich nicht», saust es mir durch den Kopf, und es ist mir, als hätte ich mich verliebt in diese Stadt, kurios und einzigartig, wie sie ist . . .