Fasten: 40 Tage voller Denkanstöße für die Seele

10.2.2016, 11:40 Uhr
Fasten: 40 Tage voller Denkanstöße für die Seele

© Scherer

„Spirituell ist die Fastenzeit die größte Zäsur im Jahr“, meint Andreas Schneider, der den Eine-Welt-Laden in der Königstraße leitet. Der Theologe verzichtet in den kommenden sieben Wochen auf Fleisch, Zucker und Alkohol. „ und Ostern ist die größte Perspektive, die wir haben“, sagt der 49-Jährige.

Es gehe darum, den eigenen Lebensstil zu überdenken und die Frage nach Gerechtigkeit und Solidarität wieder ins Blickfeld zu rücken. „Wie man diesen Weg beschreitet, das muss jeder für sich selbst entscheiden“, sagt Schneider.

Runter mit den Pfunden

Hans Fäßler hat andere Beweggründe, sich an der Fastenzeit zu beteiligen. „Als Marathonläufer muss ich an mein Gewicht denken“, sagt der Vorsitzende des Caritasverbands für die Stadt und den Landkreis Fürth. Deshalb nutzt der 71-Jährige die kommenden Wochen gern, um durch Alkohol- und Weißmehlverzicht zwei bis vier Kilo abzunehmen — obwohl er weiß, dass dieser Gewichtsverlust meist nicht von Dauer ist: „Dank Jo-Jo-Effekt sind die Pfunde schnell wieder drauf“, so Fäßler. Auch den ursprünglichen Hintergrund der Fastenzeit hat er nicht aus dem Blick verloren. Sie erinnere ihn immer an die Leidenszeit Jesu und an seine Kindheit im Schwarzwald, wo es strikte Regeln gab, die es einzuhalten galt.

Traudel Cieplik, Vorsitzende der Fürther Tafel, ist die Bußzeit sehr wichtig. „Ich besinne mich beim Fasten ganz konkret auf die Person Traudel Cieplik“, erzählt die 72-Jährige. „Ich möchte mich etwas zurücknehmen und mehr Zeit für mich selbst haben.“ Das Fasten habe heute nicht mehr die Bedeutung wie früher. „Wenn ich mir die zunehmende Rücksichtslosigkeit und Ignoranz anschaue, vermisse ich das schon ein wenig“, so Cieplik, die viel Wert auf das Gemeinsame legt, etwa beim Gottesdienst oder Gebet. Und den Sonntag, findet sie, solle man auch mal Sonntag sein lassen, anstatt sich ständig abzuhetzen.

Alkohol-, Tabak- und Fleischverzicht – das sind die Dinge, die den meisten rasch einfallen, sagt André Hermany. „Jeder soll das machen, was er denkt, und ich wünsche jedem, dass es gut klappt“, so der katholische Dekan. Für ihn steht die Aussage „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ aus dem Markusevangelium im Zentrum.

„Fasten ist in erster Linie eine Umdenkzeit“, sagt Hermany. Die könne man etwa nutzen, um sich Gedanken darüber zu machen, wer das Leben bestimmt: man selbst oder jemand anderes. Fasten kann für Hermany deswegen auch politisch sein: „Ich versuche verstärkt, die Zeichen der Zeit wahrzunehmen. Wo sind heute die goldenen Kälber, um die wir tanzen? Ich denke da ganz konkret an die Rattenfänger der AfD.“ Es gehe darum, Alternativen zu Unruhe und Parolen anzubieten – auch wenn das eine Aufgabe sei, die man wohl nie ganz zu Ende bringen könne.

Pfarrer Andreas Eckler von Unsere Liebe Frau in der Königstraße wünscht sich, dass die Lebens- und Glaubensfreude, die man in der Fastenzeit idealerweise erlangt, ein Fundament ist, das das ganze Jahr über trägt. Er stellt heuer das vom Papst ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit ins Zentrum der Gottesdienste während der Fastenzeit. Die spirituelle Erneuerung mit Denkanstößen für die Seele wünscht er sich für die kommenden 40 Tage. Als Zeichen dafür wird er Gläubigen heute früh ab neun Uhr das Aschenkreuz auf die Stirn malen, das sie an ihre eigene Vergänglichkeit erinnert.

Auch Jörg Sichelstiel wünscht sich für seine Gemeinde vor allem eine bewusste Passionszeit. Der evangelische Dekan vertraut dabei auf die Selbstständigkeit der Gläubigen. Die evangelische Kirche ruft jedes Jahr eine Fastenaktion aus, die unter einem bestimmten Motto steht. Heuer lautet sie „Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge“ – ein Appell an alle, zu teilen und sich großherzig zu zeigen.

Jeden Sonntag gibt es nun bis Ostern in den evangelischen Kirchen Auferstehung, St. Paul und St. Michael jeweils zwei Gottesdienste, die sich mit Bachs Johannespassion auseinandersetzen; die komplette Passion ist am Karfreitag in St. Michael zu hören. Sichelstiel selbst hat sich auch Ziele gesetzt für die kommenden Wochen: Er möchte auf Alkohol und Süßigkeiten verzichten.

 

3 Kommentare