Fehrs Frische-Rezept

19.10.2011, 11:00 Uhr
Fehrs Frische-Rezept

© Günter Distler

Kaufmannsläden wie diesen gab es früher an allen Ecken und Enden der Stadt. Die Kaffeepackungen präsentieren sich hier noch schräg aufgereiht im Regal, und die Tür steht nicht sommers wie winters sperrangelweit offen, um die Kundschaft mit dem Duft frischer Brötchen anzulocken wie das Licht die Motten. Wer „zum Fehr“ kommt, steigt wie eh und je zwei Steinstufen hinauf, schiebt sich dann mitsamt der Ladentür hinein in einen schmalen Verkaufsraum und blickt auf Käsekuchen und Käsestangen hinter Glas. Alles erstklassige Ware, das suggerieren auch die Meisterbriefe oben an der Wand.

Es ist Mittagszeit. Die Kunden kommen und gehen. „Rrrrring“ schrillt es, sobald die Tür geöffnet wird, jetzt also fast pausenlos. Helmut Unhold verlässt das Geschäft — mit einer Tüte Butterhörnchen und seligem Lächeln. Der 56-Jährige hat früher ums Eck eine kleine Rucksacknäherei betrieben. Damals war er Stammkunde in der Bäckerei. Dann hat es ihn nach Hersbruck verschlagen. Doch wenn er kann, kommt er vorbei — wegen dem Bienenstich und den Hörnchen... Schwärmerisch verdreht Unhold die Augen, und im Gehen ruft er: „Die Leut’ verstehen ihr Handwerk.“

Hinten in der Backstube leert Andreas Fehr gerade zwölf Flaschen Rotbier in blaue Eimer. Erste Vorbereitungen für ein Brot namens „Bierkruste“ sind es, „und das hier wird mein Quellstückla“, erklärt der 31-jährige Bäckermeister. Hafer, Leinsamen und Sonnenblumenkerne soll das Bier, das Fehr von der Gostenhofer Kleinbrauerei Schanzenbräu bezieht, über Nacht aufsaugen und leichter verdaulich machen.

2005 hat Andreas Dronsgalla, wie er damals hieß, eingeheiratet in den Fehr’schen Familienbetrieb, seit diesem April führt er ihn zusammen mit seiner Frau Monika (35). In vierter Generation versorgen die Eheleute und Eltern einer zweijährigen Tochter vor allem die vielen Stammkunden aus der Südstadt mit ihren Brotspezialitäten, mit der Sonnenkruste, dem Herbstlaib oder eben der Bierkruste.

Im Jahr 1893 trugen die Brote keine so klangvollen Namen. Als Monika Fehrs Urgroßeltern Simon und Wilhelmine Fehr das Geschäft in der Leyher Straße 7 aufmachten, das heute zu Fürths ältesten Bäckereien zählt, gab es Roggen- und Weizenbrot, Obstkuchen und Marmorschatt. Der Backofen wurde anfangs mit Holz, später mit Briketts befeuert, ehe er mit Gas betrieben wurde.

Monika Fehrs Vater Simon Fehr ist nun 71 Jahre alt. Wenn er nicht mit Enkelin Christine, wie jetzt, Spielzeugautos über den Fußboden schiebt, packt er nach wie vor in der Backstube mit an. Deren Herzstück ist seit dem Frühjahr ein Umluftofen, der auf vier Etagen Platz für 40 Vierpfünder bietet, topmodern und elektronisch gesteuert. Simon Fehr erhebt sich, klopft ein wenig Weiß von seiner Hose und berichtet von jener Zeit, als sein Vater August, Sohn des Firmengründers, hier der Chef war und ihn Abend für Abend fragte: „Simon, hasd scho die Kulln kulld?“ Ja, sagt er, das Kohlenschaufeln und -schleppen war einmal fester Bestandteil des Bäckerhandwerks. Dieser Knochenjob also sollte sein Leben werden, obwohl er doch lieber Pfarrer geworden wäre.

„Aber damals wurde man nicht gefragt. Da hat der Sohn gemacht, was der Vater wollte.“ Simon Fehr musste sich daran gewöhnen, früh um drei, halb vier aufzustehen. Der Vater ließ eine elektrische Leitung vom Erdgeschoss hinauf in die Kammer legen, die der Junior unterm Dach bewohnte, damit er nicht zu spät zur Arbeit kam. Den schrillen Ton, der ihn da zu nachtschlafener Zeit aus dem Bett holte, hat er noch im Ohr.

1995 übergab Simon Fehr das Geschäft an Sohn Gerhard, der den Beruf des Bäckers aber der Gesundheit wegen aufgeben musste. Monika Fehr, die als Bäckereifachverkäuferin bei den Eltern und beim Bruder im Laden stand, wollte, sie erzählt es lachend, „nie einen Bäcker heiraten“. Schließlich wusste sie, wie wenig Zeit für Privates bleibt, wenn Familie und Geschäft unter einem Dach vereint sind. Dann kreuzte Bäckermeister Andreas Dronsgalla ihren Weg...

„Für meinen Mann ist der Beruf Berufung“, versichert Monika Fehr. Sie müsste es nicht sagen, man spürt es an der Begeisterung, mit der er von den zwei Standbeinen des Betriebs redet, der Tradition einerseits, den alten Rezepturen, von Aniskipf und Anisplätzla, und den neuen Wegen andererseits, der Kooperation mit der Kleinbrauerei etwa. Zukunftssorgen? Andreas Fehr winkt ab. Alle Gegner der Großbäckereien seien doch potenzielle Kunden, meint er. Und: „Von meinem Ofen bis zum Laden sind es 20 Schritte.“ Ein kurzer Weg, der im Geschäft mit sensiblem Backwerk vor allem eins bedeute: „Frische“.

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