Gustavstraße: Historische Müllkippe entdeckt

23.1.2018, 06:00 Uhr
Silvia Glaser (li.) und Angelika Hofmann vom Germanischen Nationalmuseum lassen sich von Gruppenmitglied Andreas Hemmerlein einen Keramikfund erläutern.

© (c)ANDRE DE GEARE Silvia Glaser (li.) und Angelika Hofmann vom Germanischen Nationalmuseum lassen sich von Gruppenmitglied Andreas Hemmerlein einen Keramikfund erläutern.

Nur etwa 25 Zentimeter breit war der Spalt, der sich beim Abbruch eines Nebengebäudes zwischen Gustavstraße und Waaggasse im März vergangenen Jahres aufgetan hat. Die Bauarbeiter staunten nicht schlecht, als ihnen der Inhalt vor die Füße fiel: Scherben, Knochen und Reste von Schuhwerk. Sie hatten eine historische Müllkippe geöffnet und verständigten vorsichtshalber das städtische Bauamt.

"Ich erkannte sofort, dass es sich dabei um einen einzigartigen Fund handelt", sagt Stefan Laskarides von der kommunalen Denkmalschutzbehörde. Gleich bei seiner ersten Inspektion ließ er die Arbeiten einstellen. Um das Bauprojekt, Entkernen des Hinterhofes, nicht unnötig zu verzögern, gestattete er den Handwerkern, den Schutt mit flachen Schaufeln vorsichtig in transportable Wannen zu füllen. Und weil es zu lange gedauert hätte, bis staatliche Archäologen das Konglomerat unter die Lupe nehmen konnten, wandte sich Laskarides hilfesuchend an die Archäologiegruppe des Fürther Altstadtvereins.

Die passionierten Forscher ließen sich nicht zweimal bitten und machten sich gleich ans Werk. Etwa 800 Liter Schutt, der in zwei Arbeitsschritten im März und November 2017 geborgen wurde, siebten sie akribisch durch. Dabei stießen sie auf jede Menge Überreste historischer Alltagsgegenstände. Im bescheiden ausgestatteten Gruppenraum im Keller der alten Pfisterschule wurden die Fundstücke gewaschen und sortiert.

Um deren Bedeutung besser einschätzen zu können, hat man zwei Expertinnen aus dem Germanischen Nationalmuseum zur Beurteilung hinzugezogen. Die waren beeindruckt: "Da ist alles drin — vom 14. bis zum 20. Jahrhundert", versichert Sammlungsleiterin Silvia Glaser. Und ihre Kollegin Angelika Hofmann von der Abteilung Vor- und Frühgeschichte datiert die Bruchstücke einer prächtigen Fayence "mit Sicherheit aus dem 16. Jahrhundert". Das erstaunt selbst den Gruppenleiter und stellvertretenden Vereinschef Thomas Werner: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass die beiden Fachfrauen den Fund für älter einschätzen als wir."

Verheerender Feuersturm

Interessant ist das Alter der Gegenstände vor allem im Hinblick auf Fürths nahezu vollständige Zerstörung durch kroatische Hilfstruppen  während des Dreißigjährigen Krieges im September 1634. Nur drei Gebäude hatten damals den Feuersturm überstanden. Funde aus der Zeit davor haben daher Raritätsstatus. Wie sie in den Zwischenraum des im 18. Jahrhundert errichteten Hauses Gustavstraße 37 und des für die später hier angesiedelte Metzgerei im rückwärtigen Teil hochgezogenen Anbaus gelangt sind, muss noch erforscht werden.

Zu den Funden gehört der Tonkopf einer Tabakspfeife aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine Signatur an der Unterseite, der sogenannte Fersenstempel, verrät den Herstellungsort: Gouda. Damals offenbar keine Rarität in Fürth, denn eine fast gleiche holländische Pfeife ist bei der Generalsanierung des sogenannten Roten Hauses in der unteren Königstraße aufgetaucht. Modeln aus Keramik und Speckstein mit Tiermotiven wiederum könnten zur Herstellung von Spielzeugfiguren aus Zinn oder anderem Material gedient haben.

Einer besonderen Untersuchung — etwa im Fraunhofer-Röntgenzentrum auf dem alten Flugplatz Atzenhof — bietet sich eine noch originalverschlossene Konservendose an. Auch die Überreste von Schuhwerk wären ein dankbares Studienobjekt. Keinen Zweifel gibt es nur bei einer Sechs-Kreuzer-Münze mit Jahreszahl 1804.

 

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