Feuerwehr steuert auf Digitalfunk zu

19.7.2015, 13:00 Uhr
Feuerwehr steuert auf Digitalfunk zu

© Foto: Scherer

Herr Marx, der Digitalfunk hätte bereits zur Fußball-WM 2006 eingeführt werden sollen, offensichtlich aber brennt das Thema niemandem besonders auf den Nägeln, oder?

Marx: Das mag daran liegen, dass die Technik sehr komplex ist. Und im Hintergrund ging es natürlich immer um die Frage, wer was zahlt. Das war in vielerlei Hinsicht ein Hemmschuh und ist es nach wie vor, etwa wenn es darum geht, wer die Kosten für den Aufbau eines Funknetzes in U-Bahn-Tunneln übernimmt. Dieses Problem haben wir im Landkreis zum Glück nicht.

Welches Problem haben Sie?

Marx: Den Bezirk Mittelfranken hat das Innenministerium zum Vorreiter in Bayern bestimmt. Wir hatten niemanden, der uns sagen konnte, wie die Einführung des Digitalfunks funktioniert. Insoweit sind wir dankbar, dass die Berufswehr Nürnberg die Federführung für die drei Städte und Landkreise im Bereich der integrierten Leitstelle Nürnberg übernommen hat. Das sind Profis, wir sind alle Ehrenamtler.

Zirndorf hat 99 Endgeräte für 175 000 Euro eingeplant und rechnet mit 75 000 Euro Zuschuss, die vom Freistaat kommen. Um welche Summe geht es auf Kreisebene?

Marx: Etwa um das Sechsfache: Wir haben 600 Endgeräte für die 52 Wehren in den 14 Kommunen und für die Kreisbrand-Inspektion ausgeschrieben. 80 Prozent der Kosten, höchstens aber 512 Euro je Gerät, übernimmt der Freistaat. Für ein Endgerät ist mit 600 bis 700 Euro zu rechnen. Für den Einbau in die Fahrzeuge müssen die Kommunen selbst sorgen. Insoweit können wir nicht genau abschätzen, welche Kosten auf Städte und Gemeinden zukommen.

Auf jeden Fall knackt Ihre Sammelbestellung die Marke von 200 000 Euro, muss also europaweit ausgeschrieben werden . . .

Marx: Und das ist ein ziemlich umfangreiches Werk, an dem 2013 schon der Deutsche Städtetag gescheitert ist. Bei dessen Ausschreibung hatten wir uns angehängt, doch ein Bieter hat sie erfolgreich angefochten. Dabei sind in Deutschland mit Motorola und Sepura gerade zwei Produzenten zugelassen. Wir hoffen, dass wir jetzt eine Firma finden, die liefert.

Dann wären die Geräte gesichert. Wie sieht’s mit der Infrastruktur aus?

Marx: Das Netz in Mittelfranken war relativ zügig aufgebaut, es stand zum Jahreswechsel 2013/14: Knapp 90 Sendemasten gibt es im Bezirk, vier davon im Landkreis, einer in der Stadt Fürth. Die Kosten trägt zu 100 Prozent der Freistaat.

Um die Standorte gab es eine rechte Geheimniskrämerei, warum?

Marx: Das hat keiner verstanden, aber das ging vor allem vom Innenministerium aus. In den Gemeinderäten wurde in öffentlicher Sitzung über die Standorte beraten. Im Landkreis stehen Sendemasten bei Langenzenn, Roßtal, auf der Alten Veste in Zirndorf und bei Großhabersdorf.

2014 startete der Probebetrieb. Wie lief er im Landkreis Fürth?

Marx: Andere Landkreise sind da regelrecht vorgeprescht, einer zum Beispiel hat gleich 1200 Geräte angeschafft. Wir waren etwas vorsichtiger. Jede Kommune hat zwei bis drei Geräte gekauft. Bei Übungen haben wir an 72 Punkten die Feldstärke gemessen. Das Ergebnis war sehr zufriedenstellend, selbst im Landkreis-Westen, wo wir in Wilhermsdorf und Langenzenn mit dem Analogfunk teils erhebliche Probleme haben, lief es gut. Aber es hat auch einen Nachteil offenbart: Hab’ ich analog schlechten Empfang, höre ich zumindest noch Wortfetzen und kann auf der Suche nach besserem Empfang ein paar Schritte gehen. Digital funktioniert das nicht. Das Gerät empfängt oder es empfängt nicht. Dazwischen gibt es nichts.

Wo sehen Sie die Vorteile?

Marx: Ursprünglich gefordert wurde der Digitalfunk von der Polizei, die in Mittelfranken 2014 auch schon umgestiegen ist. Schlicht, weil er als abhörsicher gilt, wobei ich mich in Zeiten des NSA-Skandals darauf nicht mehr verlassen würde. Für uns ist die Abhörsicherheit nicht entscheidend. Haben wir einen Einsatz, kriegt das sowieso jeder mit. Aber natürlich würde es keinen Sinn machen, funkt die Polizei digital und die anderen Sicherheitsdienste wären davon abgeschnitten. Mich hat überzeugt, dass man im Digitalfunk Gruppen bilden kann.

Und was bedeutet das?

Marx: Analog haben wir einige wenige Kanäle, die alle nutzen, egal ob Polizei, Feuerwehr oder BRK. Und bei einem Großschadensereignis plappern alle auf einem Kanal, verstehen kann in dem Sprachgewirr dann oft keiner mehr etwas. Bei Digitalfunk kann ich den Kreis der Empfänger einschränken, so dass nicht alle den kompletten Funksalat abbekommen, sondern nur den, der für ihren Bereich relevant ist. Außerdem filtert der Digitalfunk Nebengeräusche heraus. Wenn ich im Einsatz neben einem Notstromaggregat oder einer Pumpe stehe, muss ich bisher ziemlich brüllen.

Doch die Strahlung, monieren Kritiker, ist massiv. Wie sehen das die Feuerwehrler?

Marx: Experten haben uns gesagt, dass die Strahlung beim Handy höher ist. Bei den Feuerwehrleuten selbst ist das kein Thema, sie sind bei ihren Einsätzen ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Da sind Funkstrahlen das geringste Übel.

Wann rechnen Sie mit dem kreisweiten Umstieg?

Marx: Ich halte es für realistisch, bis Ende 2016 alle 2186 Aktiven zu schulen und in den Digitalfunk an der Einsatzstelle einzusteigen. Die Kommunikation mit der Leitstelle muss aber wahrscheinlich noch länger zweigleisig laufen, umgekehrt auch die Alarmierung der Feuerwehrleute über den Piepser. Dazu bräuchte es die Glasfaserkabelanbindung der Leitstelle. Doch wer das zahlt, ist noch nicht geklärt.

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