Flugzeugabsturz: Ein Fürther hilft in Frankreich

29.3.2015, 21:00 Uhr
Flugzeugabsturz: Ein Fürther hilft in Frankreich

© rtr

Herr Herden, wie und wann haben Sie von dem Unglück erfahren?

Herden: Dienstagvormittag, gegen 11.45 Uhr. Ich hatte mir gerade ein Sandwich für ein kurzes Mittagessen am Schreibtisch geholt, als mich bei der Rückkehr ins Büro meine Mitarbeiter mit versteinertem Gesicht über das Unglück informierten. Sie hatten es bereits über Ticker erfahren.

 

Flugzeugabsturz: Ein Fürther hilft in Frankreich

© Rey T. Byhre

Ihr erster Gedanke?

Herden: Da überschlagen sich die Gedanken. Bestürzung, Trauer, Zweifel, ob die Meldung wirklich stimmt. Aber dann auch gleich Überlegungen, was das für eine kleine Auslandsvertretung wie Marseille bedeutet und was nun zu tun ist, um rasch vor Ort Hilfe und Unterstützung gewährleisten zu können.

 

Haben Sie tatsächlich Pläne für einen solchen Notfall in der Schublade?

Herden: Ja, es gibt Krisenpläne, die alle möglichen Fälle vorsehen und wie darauf zu reagieren ist. Da die Provence kein Erdbebengebiet ist und Tsunamis im Mittelmeer nicht zu erwarten sind, ist ein „Großschadenereignis“, wie das im Beamtendeutsch genannt wird, der wahrscheinlichste Krisenfall. Und ein Flugzeugabsturz mit 150 Toten, darunter die Mehrzahl Deutsche, ist hier tatsächlich der größte anzunehmende Unfall, der GAU.

 

Was müssen Sie als Generalkonsul in diesen Tagen leisten?

Herden: Helfen, vermitteln, koordinieren, präsent sein. Ich bin hier nur Teil eines Teams, das aus erfahrenen Konsularbeamten besteht und das, weil wir in Marseille nicht sehr zahlreich sind, noch am gleichen Tag durch Kollegen aus Straßburg und Paris aufgestockt wurde.

 

Waren Sie selbst an der Unglücksstelle bei Seyne-les-Alpes?

Herden: Wir haben noch am Unfalltag im Generalkonsulat die Aufteilung unserer Kräfte diskutiert. Das Ergebnis: Seit dem Unglückstag halten sich unter Leitung unserer Botschafterin mehrere Kollegen vor Ort auf. Ich selbst koordiniere hier in Marseille die eingehenden Besuche und halte den Kontakt zur Präfektur aufrecht, das ist die zentrale Verwaltungsstelle für Südfrankreich. Ich half den französischen Behörden beispielsweise auf die Schnelle bei der Planung und Organisation der Flüge von Außenminister Steinmeier und Verkehrsminister Dobrindt am gleichen Tag und dem gemeinsamen Besuch von unserer Bundeskanzlerin und Ministerpräsidentin Kraft aus Nordrhein-Westfalen am Folgetag.

 

Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Franzosen?

Herden: Ich möchte betonen, wie dankbar wir der französischen Seite für ihr Engagement und die Unterstützung sind. Die Hilfsbereitschaft der lokalen Bevölkerung ist beeindruckend – gerade wenn Sie sich vor Augen halten, dass in dem Dorf genauso viele Einwohner leben wie das abgestürzte Flugzeug Passagiere hatte. Die Organisation der französischen Seite ist extrem gut. Beeindruckend sind auch die enormen Anstrengungen, um die Absturzstelle zu sichern. Nur so kann man eine geordnete Bergung gewährleisten oder auch die Angehörigen vor zu neugierigen Medien abschirmen.

 

Was bekommen Sie vom Medienrummel mit? Gibt es Auswüchse, die Ihnen nicht behagen?

Herden: Die Medien kommen ihrer Informationspflicht nach, dagegen ist nichts zu sagen. Meist konnte ich selbst erst am Abend nach Rückkehr vom Flughafen das Geschehen in den Nachrichten des deutschen und französischen Fernsehens verfolgen.

 

In drei Monaten gehen Sie in Pension. Haben Sie in Ihrer langen Laufbahn schon einmal eine ähnliche Krise bewältigen müssen?

Herden: Ich habe 1980 als junger Beamter in Neapel das Erdbeben im Apennin erlebt. Die Erde bebte 90 Sekunden lang. Das ist, hat man erst mal realisiert, worum es sich handelt, eine lange Zeit, wir hatten Angst. Fast 3000 Tote, eingestürzte Häuser, über 90 Nachbeben. Wir schliefen tagelang angezogen im Bett, bereit, jederzeit das Haus zu verlassen. Im Generalkonsulat wurde das Zentrum für die deutschen Rettungskräfte eingerichtet, gerade das BRK mit seinen Spürhunden machte sich damals sehr verdient.

 

In Marseille haben Sie die Angehörigen am Flughafen empfangen. Kann man da überhaupt so etwas wie Trost spenden?

Herden: Das Wetter bei Ankunft war typisch für Marseille. Blauer Himmel und ein eisiger schneidender Mistral. Alle wollten möglichst schnell in die Busse. Kurze Beileidsbekundungen, ein Händedruck an der Gangway – nicht nur von mir, auch vom Präfekten der Region, dem französischen Staatssekretär für Transport und dem spanischen Generalkonsul; aber auch hier wurde, glaube ich, den Angehörigen deutlich, dass sie in ihrem Schmerz nicht alleine sind.

 

Wie wurden sie betreut?

Herden: Seelsorger haben sie während des gesamten Aufenthalts begleitet. Vor Ort hat es dann eine sehr bewegende Trauerfeier gegeben, bei der ein Gedenkstein enthüllt wurde. Da der Zugang zur Absturzstelle nicht möglich ist, war es für viele Angehörige von großer Bedeutung, dass rasch ein Ort des Gedenkens geschaffen wurde, der ihnen in ihrer Trauer zumindest etwas Halt bieten kann.

 

Keine Kommentare