Freies Hühnerleben

23.2.2012, 13:00 Uhr
Freies Hühnerleben

© Hans-Joachim Winckler

Dicke Schneeflocken segeln vom Himmel, die Wiese vor dem Hof von Wolfgang Kleinlein ist längst in weiße Watte gepackt. Es könnte absolute Stille herrschen hier, in Oberasbach — wären da nicht die Hühner. Rund um etwas, das wie ein größerer Schuppen aussieht, gackern rund 200 von ihnen, picken zwischen dem Stroh nach Grashalmen und stören sich auch nicht daran, wenn ihnen mal ein Schuh in die Quere kommt. Denn an diesem Tag sind sie nicht die einzigen, die die Stille durchbrechen. Es herrscht geradezu Gedränge vor ihrem Unterschlupf, den Bauer Kleinlein an diesem Tag als etwas vorstellt, das bisher kaum jemand kennt: einen beweglichen Hühnerstall.

Frisches Grün

Dort, wo er jetzt steht, wird er spätestens Ende März, wenn der Boden aufgetaut ist, nicht mehr zu finden sein. Der Stall hat Reifen, jederzeit kann der Bauer also die Hühner einladen, ihn an einen Traktor hängen und verschieben. Das habe große Vorteile, erklärt Iris Weiland vom gleichnamigen Stallbau-Unternehmen, die das „HühnerMobil“ mit entwickelt hat. Jede Woche hätten die Tiere so ein frisches Stück Grün — und müssten nicht in ihrem eigenen Dreck herumscharren.

Ursprünglich ist Weiland Bio-Landwirtin, sie kennt die Probleme, die Freilandhaltung mit sich bringt. Nach dem Studium hatte sie einen Bio-Hof in Witzenhausen aufgebaut, einer Kleinstadt in Nordhessen. Doch die Euphorie wich damals bald der Enttäuschung: Nach wenigen Monaten war der Auslauf verschlammt; immer wieder infizierten sich die Hühner mit Keimen, weil sie im Dreck scharrten und aus Pfützen tranken.

Zunächst wollten Iris Weiland und ihr damaliger Mann einen mobilen Stall kaufen — doch den gab es nicht. Also fingen sie an zu tüfteln. Seit zehn Jahren werden ihre „HühnerMobile“ nun gebaut, seit eineinhalb Jahren stärker vermarktet. „Inzwischen sind über hundert im Einsatz, quer über Deutschland verteilt“, fasst Weiland zusammen. Drinnen sieht das Mobil im Grunde aus wie ein ganz normaler Hühnerstall: Oben sind Sitzstangen befestigt, es gibt Tränken, Mistbänder, damit der Dung nicht liegenbleibt, und Nester, in denen die Hühner ihre Eier ablegen. Unten, im Scharrbereich, finden sie den Weg ins Freie. Dass die Tiere sich auf der großen Wiese von Bauer Kleinlein in alle Winde zerstreuen, scheint übrigens keine Gefahr zu sein: Sie scharen sich um das Stroh, das sich vor dem Mobil zerstreut hat.

Wer jedoch bei alledem gleich auf Biolandbau schließt, hat sich in manchem Fall geirrt — auch die Hühner von Bauer Kleinlein sind nicht aus biologischer Aufzucht. Gleichzeitig hält er sich jedoch an die strengen Richtlinien des Vereins Neuland, der sich für artgerechte und umweltschonende Tierhaltung einsetzt. Das Mobil sei der „Goldstandard für die Hühner“, bestätigt dann auch Jochen Dettmer, Bundesgeschäftsführer von Neuland. Er fordert schon lange mehr Betriebe mit kleineren Einheiten. Damit wehrt er sich auch gegen die industrielle Landwirtschaft, die zwar nicht im Landkreis, aber in Bayern durchaus ein Wachstum verzeichnet. Landrat Matthias Dießl, der warm eingepackt das Treiben neben dem Stall beobachtet, pflichtet Dettmer indirekt bei. Das Potenzial im Landkreis sei da, mehr selbst produzierte Lebensmittel zu vermarkten. Das „HühnerMobil“, das sich Wolfgang Kleinlein angeschafft hat, ist allerdings erst einmal ein Experiment, das nicht so sehr mit Gewinnerwartungen, sondern eher mit Pioniergeist zu tun hat. Es ist mit 225 Hühnern das kleinste Modell, kostet rund 30000 Euro. Daneben gibt es noch größere für 800 oder 1200 Hennen — doch das wäre zu riskant. Wie auch die vielen Eier loswerden? Der Verkauf soll schließlich vor allem über die Direktvermarktung laufen. Momentan hat Kleinlein in seinem Hof einen Eier-Automaten: Man wirft Geld rein, ein Karton kommt raus. Daneben steht die „Milch-Tankstelle“, die ähnlich funktioniert. Beides ist ein kleiner Zuverdienst zum Ertrag der 50 Milchkühe und der 80 Hektar Land, die Kleinlein bewirtschaftet. Ein Hofladen lohnt sich schlicht nicht. Aber der 45-Jährige ist zuversichtlich. „Langsam kommen mehr Kunden, das liegt sicher auch an den Lebensmittelskandalen“.

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