Freunde, das Leben ist lebenswert

22.8.2014, 12:30 Uhr
Freunde, das Leben ist lebenswert

© Foto: Stephan Floß

Vom Büffet nehmen, bis sich der Teller biegt — ein Traum für All-inclusive-Urlauber und für Fans des gemischten Stadttheater-Abonnements. Auf dem großen Fürth-Teller liegen heuer acht Angebote der Saison; und wie kaum anders im Malle-Hotelrestaurant, so ist durchaus kurios zu nennen, was den Fans des „Gemischten“ den Appetit stillen soll; bitterernster Kammeropern-Stoff liegt hier neben spritziger Lehár-Ware, ein Depressions-Schauspiel neben leichtseichten Bestseller-Bühnenfassungen. Viele, sehr viele Theatergänger mögen das.

Programmidentisch sind die vier großen gemischten Mieten, im folgenden ist jeweils der erste Aufführungstermin genannt.

Den Auftakt macht eine hauseigene Produktion (18. Oktober). Durch Andrew Lloyd Webbers Musical Sunset Boulevard weht der Eishauch der Melancholie und Vergänglichkeit. Als tragisch liebende Stummfilm-Diva Norma Desmond riss Helen Schneider das Publikum bereits 1995 bei der deutschsprachigen Erstaufführung im hessischen Niedernhausen von den Sitzen. Inzwischen ist die Rolle für die US-Entertainerin, die mit einem Fernsehauftritt bei Alfred Biolek 1978 erstmals das deutsche Publikum um den Finger wickelte, so etwas wie eine zweite Haut geworden. Zuletzt stand Schneider als Norma in Bad Hersfeld auf der Bühne, und der Regisseur war derselbe, mit dem es auch die Fürther zu tun bekommen: Gil Mehmert wurde soeben auserkoren als Autor und Regisseur des „Wunders von Bern“, das im November das neue Stage Musical Theater in Hamburg eröffnen soll. Choreografin ist, wie schon beim Musicalerfolg der abgelaufenen Saison, „next to normal“, Melissa King.

Eine der charismatischsten Persönlichkeiten und lebende Legende zugleich ist Harry Belafonte. Bürgerrechtler, Polit-Aktivist, Weggefährte Martin Luther Kings — dies alles und nicht zuletzt die Stationen einer fantastischen Entertainer-Karriere mussten irgendwann einmal in ein Buch fließen. Die 2012 auf deutsch erschienene Autobiografie „My Song“ ist nicht nur ein dickes, sondern auch ein hervorragend geschriebenes Buch geworden. Es gleicht einem Kunststück, aus all dem einen halbwegs kurzweiligen Theaterabend zu stricken. Ob es gelingt, wird das Gastspiel der Münchner Theatergastspiele Kempf erweisen, die mit Die Harry Belafonte Story, Ron Williams in der Hauptrolle und reichlich Musik nach Fürth kommen (25. November).

Die kleinen Füchse schrieb Lillian Hellman 1939, 1941 entstand der Spielfilm mit Bette Davis. Im Mittelpunkt steht die Südstaaten-Industriellenfamilie Hubbard, deren Mitglieder beim Thema Geld alle Contenance fahren lassen. Gier, Zerfall einer Ehe, Mutter-Tochter-Konflikte: „Ein sehr aktuelles Thema“, wie Intendant und Regisseur Müller meint. Da viele Anspielungen auf den amerikanischen High-Lifestyle der Dreißiger nicht mehr passen, wurde der Fürther Schriftsteller und studierte Amerikanist Ewald Arenz gebeten, eine neue deutsche Fassung der „kleinen Füchse“ zu erstellen (17. Januar).

Bühnenfassungen von Romanstoffen: immer wieder ein heikles Ding. Das Publikum bekommt serviert, was es eh schon zur Genüge kennt — warum dann noch ins Theater gehen? Mit der Eigenproduktion der „Vermessung der Welt“ hatte das Fürther Haus zuletzt prompt wenig Fortune, und nun darf in der kommenden Saison das Altonaer Theater aus Hamburg zeigen, dass es mit BestsellerWare besser zurechtkommt. Jonas Jonassons Roman Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand hat jedenfalls bald sämtliche Dramatisierungsformen hinter sich; nun fehlen nur noch Puppentheater, Ballett und Zeichentrickfilm (7. Februar).

Eines der hierzulande am häufigsten aufgeführten Musicals ohne festen Spielort ist Alan Menkens und Howard Ashmans Der kleine Horrorladen, was nicht nur an der zündenden Musik und abgefahrenen Story, sondern auch an Michael Kunzes brillanter Übersetzung liegt. Was eine scheinbar harmlose Pflanze in einem Blumengeschäft anrichtet, hier wird’s Ereignis, schwarzer Humor inklusive. Zum Blumengießen nach Fürth kommt das pfälzische Tour-Unternehmen Frank Serr Showservice (18. März).

Danach wieder Selbstgemachtes: Aus dem Jahr 1971 stammt Rainer Werner Fassbinders autobiografisch durchwirktes Schauspiel Die bitteren Tränen der Petra von Kant. Die Hauptfigur ist eine Modeschöpferin — im Stück erwartet sie gerade einen Großauftrag von Karstadt — mit Hang zur Ginflasche und zur deutlich jüngeren Karin. Die aber nutzt die lesbische Beziehung allein für die eigene Karriere. Dass beruflicher Erfolg nicht immer auch Glanz ins Privatleben bringt, ist die Quintessenz jenes Stückes, über das Dramaturg Matthias Heilmann sagt, es sei „unheimlich beklemmend“ und ein plausibler Beleg für den Fassbinder-Boom der vergangenen Jahre an deutschsprachigen Bühnen. In Fürth inszeniert erstmals Barish Karademir (14. April).

Bittere Tränen fließen auch hier: Baruchs Schweigen schrieb die 60-jährige israelische Komponistin Ella Milch-Sheriff. Fürth ist das zweite Haus nach Braunschweig, wo man das Werk 2010 uraufführte. Milch-Sheriff verarbeitet Details aus der Vergangenheit ihrer Eltern. Nach dem Tod des Vaters, des Gynäkologen Baruch Milch, entdeckte sie Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht: Seine erste Familie war im Zweiten Weltkrieg in Polen ermordet worden. All dem nähert sich die Komponistin mit einer eingängig-melodiösen Klangsprache. Sein Fürther Regie-Debüt gibt Bruno Berger-Gorski (17. Juni).

„Freunde, das Leben ist lebenswert“ wurde ebenso zum Evergreen wie „Meine Lippen, sie küssen so heiß“. Mit üppig blühenden Melodien wirft Franz Lehár in seiner 1934 in der Wiener Staatsoper (!) uraufgeführten Operette Giuditta nur so um sich. Einen Saisonausklang auf vorzeigbarem Niveau und ohne allzu viel Kopfzerbrechen garantiert das Gastspiel der Staatsoperette Dresden, die in Fürth schon mehrfach bewies, das vermeintlich leichter Stoff bei ihr in guten Händen liegt.

Wer nur viermal ins Stadttheater gehen mag, greife zum kleinen gemischten Abo, es liegt in zwei unterschiedlich geschnürten Paketen vor. Das kleine gemischte Abo 1 vereint „Sunset Boulevard“, „Der Hundertjährige. . .“, „Petra von Kant“ und „Giuditta“. Das kleine gemischte Abo 2 beinhaltet „Die Harry Belafonte Story“, „Die kleinen Füchse“, „Der kleine Horrorladen“ und „Baruchs Schweigen“.

Das große gemischte Abonnement (acht Abende) kostet zwischen 60 und 212, das kleine (vier Abende) 32 bis 118 Euro. Neubestellungen nimmt das Stadttheater schriftlich (Königstraße 116, 90762 Fürth) bis 2. Oktober entgegen. Infos und Bestellzettel im Spielplanheft zur Saison 2014/15.

Keine Kommentare