Froschkönig – ein Märchen in Variationen

18.9.2012, 13:00 Uhr
Froschkönig – ein Märchen in Variationen

© ts

Es war einmal ein König, der hatte eine wunderschöne Tochter, deren liebstes Spielzeug war ihr goldener Ball, den sie einst von ihrer verstorbenen Mutter bekommen hatte. Eines Tages aber, wie es so geht, fiel er ihr in einen tiefen Brunnen. Aus ihrer bitteren Verzweiflung half ihr nun kein anderer als ein hässlicher, kalter Frosch, dem sie sich versprechen musste. Sie aber – voller Ekel – wirft ihn gegen die Wand und siehe, da steht ein junger Königssohn, den sie herzt und umarmt, und dann wird Hochzeit gefeiert. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Prinzessin: Ich war ja praktisch noch ein Kind. Hübsch, aber noch völlig verspielt. Und dieser Frosch hat mich ja praktisch erpresst, ich hätte ihn nie... also, in der ersten Nacht sowieso nicht. Aber mein Vater, der hat ja von Anfang an zu ihm gehalten, weil er so ein Altachtundsechziger ist. „Ganz egal, ob rot oder schwarz oder gelb oder meinetwegen grün, du darfst niemanden wegen seiner Hautfarbe diskriminieren.“ Na, und wer denkt denn, dass so ein Frosch wirklich weiß, was Heiraten bedeutet. Das geht ja heute sogar vielen Menschen so. Und Versprechen... mein Gott, Versprechen... wir aus der regierenden Klasse haben so was schon immer entspannter gesehen.

Frosch: Ich dagegen war ja damals gewissermaßen behindert, ich meine, so als Frosch hat man praktisch noch weniger Chancen bei Frauen als ein Polizist. Aber wirklich keine. Grün, kalt, feucht... also musste ich mich arrangieren, nicht wahr? Ich bin gerade am Grund des Teiches diskret beschäftigt, als plötzlich eine goldene Kugel mit einer Wucht in mein Biotop – das im Übrigen Naturschutzgebiet war, wollte ich bloß mal sagen – als also diese Kugel mit einer ungeheuren Wucht in mein Feuchtbiotop einschlägt und meinen kompletten Laich vernichtet. Ich selbst rette mich eben noch zur Seite. Aber der Laich: Matsch! Zwanzigtausend zukünftige Kinder mit einem Kugelstoß ausgelöscht! Trotzdem. Ich lasse mich erweichen und schleppe ihr diese wirklich verdammt schwere Kugel wieder hoch. Und was macht sie? Lädt mich nicht mal zum Tee ein! Ich bin dann trotzdem einfach hin, obwohl das Schloss nicht mal annähernd froschgerecht eingerichtet war! Nur Treppen. Tausend Marmortreppen! Und in den Speiseaufzug wollten mich die Köche nicht lassen. Nur als Tellergericht, haben sie gesagt und so gierig auf meine Schenkel geschaut. So hat’s drei Stunden gedauert, bis ich oben im Speisesaal war! – Aber immerhin ungekocht.

Prinzessin: Tja, leider. Da drängt sich dieses grüne, schleimige Ding an den Tisch und jammert meinem Vater die Ohren voll von wegen Benachteiligung und Rassendiskriminierung und diesem ganzen sozialpädagogischen Quatsch von Klassenschranken, auf den mein Vater immer, aber auch immer reinfällt. Na, und dann musste ich ihn eben mit aufs Zimmer nehmen. In meinem seiden Bettlein sollt ich ihn schlafen lassen.

Frosch: Seiden Bettlein! Ich sollte auf dem Boden schlafen. Nicht mal mit Wasser beträufeln wollte sie mich. Gestrandete Wale – ja klar, die werden feucht gehalten, aber die sind ja auch medienwirksam, wenn man als blonde Prinzessin im bauchfreien Top und Gummistiefeln am Strand neben ihnen steht und was für die Umwelt tut. Wirklich, man weiß ja – bei diesen Großkopfeten, da stinkt der Fisch vom Kopfe. Wie so ein Wal riecht, ist denen aber egal. Aber als ich zu ihr ins Bett kam, weil sie sich die ganze Zeit die Ohren zugehalten hatte, hat sie geschrien, als wollte ich sie umbringen und hat mich gepackt und...

Prinzessin: ...und an die Wand geschleudert. Nicht fest genug, leider. Wie oft noch? Diese eine kleine Verfehlung wird einem jahrelang vorgehalten. Und das nur nebenbei. Man kann mir ja schwer zum Vorwurf machen, dass ich einen Wal beim besten Willen nicht an die Wand schleudern könnte.

Frosch: Möchte man so erlöst werden? Ich hatte einen Schlüsselbeinbruch und überall blaue Flecke. Andere Prinzessinnen küssen ihre Frösche! Jedenfalls hätten wir jetzt meinetwegen nicht mehr heiraten müssen. Hallo... mir standen auf einmal wieder alle Chancen offen. Aber sie jetzt auf einmal! Die Dame ist plötzlich Feuer und Flamme und lässt mich nicht mehr aus den Augen. Du siehst aus, sagt sie, wie Robert de Niro und will mich dann auf einmal küssen.

Prinzessin: Johnny Depp, du Depp, nicht Robert de Niro. Der ist viel zu klein. Und eins wollte ich schon immer wissen. Wofür ist der Königssohn denn verwünscht worden? Ich meine, das passiert doch nicht ohne Grund. Da hat er die alte Frau doch vorher beleidigt oder hat seine letzte Braut sitzen lassen oder so... aber davon hören wir ja leider nichts.

Frosch: Jetzt hätte ich sie sitzen lassen können, oder? Ich meine, jetzt war ich im Vorteil. Was ist denn schon ein Versprechen, hätte ich sagen können. Aber nein, auf Händen habe ich sie die Treppen hinuntergetragen, trotz des Schlüsselbeinbruchs.

Prinzessin: Ja, aber später... an keinem Aquarium kann ich mit meinem Mann vorbei gehen, ohne dass er wie gebannt hineinstiert. Und dann treten auch die Augen wieder so hervor wie früher – scheußlich. Wie man sich da fühlt... wenn der Mann auf der Straße hübschen Fröschinnen hinterherschaut, das kann ich niemandem erzählen. Aber na ja. Ich hätte es schlimmer treffen können. Andere Männer verwandeln sich erst nach der Hochzeit.

Frosch: Na ja. Ich sage bloß: Goldene Kugel. Meine Frau verliert alles. Ich weiß nicht, wie oft der Schlüsseldienst schon mitten in der Nacht das Schlosstor aufbrechen musste. Das ist eine Spezialfirma, die einzige, die noch Belagerungsmaschinen im Programm hat, und irrsinnig teuer. Aber sonst... sie sieht immer noch so aus wie am ersten Tag.


 

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