Fürth: Junge Flüchtlinge ziehen ins Kinderheim ein

28.8.2014, 06:00 Uhr
Fürth: Junge Flüchtlinge ziehen ins Kinderheim ein

© Archivfoto: Michael Matejka

Der Platz für neu ankommende Flüchtlinge reicht in Bayern hinten und vorne nicht. Unlängst ist auch für die Flüchtlingsunterkunft in Zirndorf ein Aufnahmestopp verhängt worden. Rund 600 minderjährige Flüchtlinge, die ihre Heimat und ihre Familien hinter sich gelassen haben, kamen 2013 in Bayern an – so viele waren es heuer schon bis Mai. Im Freistaat rechnet man deshalb bis zum Jahresende mit bis zu 1800 Jugendlichen, die es allein oder in Gruppen hierher schaffen.

Lisa Schröder kennt die Zahlen – und einige der Geschichten, die sich dahinter verbergen: Sie gehört zum Betreuerteam zweier Wohngruppen für minderjährige Flüchtlinge, die die Rummelsberger Diakonie in Nürnberg anbietet. Eine gibt es schon länger, die andere seit vergangenem Jahr.

Solche Wohngruppen entstehen zurzeit überall in Bayern, auch im Fürther Kinderheim St. Michael laufen die Vorbereitungen. Auslöser ist eine veränderte Flüchtlingspolitik: Bis vor kurzem landeten auch unbegleitete Jugendliche in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Zirndorf oder München. Migranten über 16 Jahre zogen zusammen mit Erwachsenen in Sammelunterkünfte, nur die jüngeren wurden „in Obhut“ genommen und kamen in Jugendhilfeeinrichtungen.

Damit, befand das Sozialministerium 2013, soll Schluss sein: „Alle Jugendlichen sollen nun als solche behandelt werden“, sagt Lisa Schröder. „Sie haben ein Recht auf besondere Fürsorge, auf Bildung und pädagogische Begleitung.“ Schon der Aufnahmeprozess wurde verändert: Vier sogenannte Clearingstellen gibt es jetzt in Bayern, in denen die Jugendlichen die ersten drei Monate verbringen. Die Verantwortung für die Nürnberger Stelle übernahm die Rummelsberger Diakonie. 46 Plätze stehen hier für die Ankömmlinge zur Verfügung, „sie sind ständig belegt“, sagt Schröder. Während der drei Monate versuche man, möglichst viel zu klären: Woher kommen die Flüchtlinge? Haben sie Kontakt zur Familie? Was haben sie erlebt? Sie werden medizinisch und psychologisch betreut und bekommen einen Vormund.

Später werden sie auf Einrichtungen in ganz Nordbayern verteilt – darunter ist auch das Kinderheim St. Michael, das im September neun Jugendliche aufnimmt. In den vergangenen Jahren beherbergte das Heim — Träger ist ebenfalls die Rummelsberger Diakonie – immer wieder einzelne Flüchtlinge. Man habe also Erfahrung mit ihren Bedürfnissen und Nöten, sagt Brigitte Stief, die den Bereich stationäre Hilfen leitet: „Die Geballtheit ist das Neue.“ Weil zum Heim seit kurzem ein Neubau gehört, ist im renovierungsbedürftigen Altbau vorübergehend Platz für die neun Jugendlichen. Plätze in der Berufsschule 1, die ein Berufsintegrationsjahr für Migranten anbietet, sind bereits reserviert.

In der Fürther Wohngruppe werden Schröder zufolge vor allem Flüchtlinge aus Afrika – aus Eritrea und Somalia – zusammenleben. Eine eigene Gruppe biete sich an, weil die Jugendlichen ganz andere Erfahrungen gemacht haben als Gleichaltrige in Deutschland. Die Jugendlichen, die in der Clearingstelle ankommen, sagt Schröder, waren meist mit Schleuserbanden unterwegs und bringen „schwierige Geschichten“ mit. Manche waren Kindersoldaten, andere gehörten bedrohten Volksstämmen an oder flohen vor Zwangsverheiratung. „Sie sind auf abenteuerlichsten Wegen hierher gekommen, man weiß nicht, was sie unterwegs alles machen mussten, um weiterzukommen.“ Viele haben Gewalt oder Missbrauch erlebt, leiden an Depressionen oder Schlafstörungen.

Auch der Neuanfang in Deutschland ist nicht leicht; dazu kommt das Heimweh — und ein großer Druck, so Schröder: „Die Familien haben oft viel investiert, damit ein Mitglied flüchten kann. Denen kann man doch nicht sagen, dass es einem hier nicht gut geht.“ Immerhin: Das Umdenken in der Politik, meint sie, habe die Situation der Kinder und Jugendlichen schon deutlich verbessert.

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