Fürth: Zahl der Kirchenaustritte ist stark gestiegen

2.2.2015, 12:00 Uhr
Fürth: Zahl der Kirchenaustritte ist stark gestiegen

© Foto: Ingo Wagner/dpa

Das Jahr 2014 fiel auch im evangelischen Dekanat Fürth aus der Reihe: Hatte man 2013 noch 763 Austritte zu verschmerzen, sind es jetzt 1075. Ein Sprung, wie man ihn in den vergangenen Jahren nicht erlebt hat. Noch dazu finden sich die meisten Austritte ausgerechnet bei den 51- bis 60-Jährigen – einer Gruppe, die gewöhnlich fester an die Kirche gebunden ist als jüngere Generationen; hier hat sich die Zahl auf 246 verdoppelt. Ähnlich sieht es in ganz Bayern aus. „Natürlich haben wir uns gefragt: Was war 2014 anders?“, sagt Dekan Jörg Sichelstiel.

Er vermutet wie andere Kirchenvertreter, dass ein Missverständnis dahintersteckt. Denn 2014 sei für die evangelische Kirche eigentlich „ein gutes Jahr“ gewesen, meint er, „es gab keinen großen Skandal“. Was es jedoch gab, waren Veränderungen bei der Kirchensteuer: „Und immer wenn es um Kirche und Geld geht, schreckt das die Leute auf.“

Seit 1. Januar wird ein Teil der Kirchensteuer anders eingezogen als bisher. Briefe von Banken, die auf die Neuerung hinwiesen, haben die Kunden verunsichert, befürchtet Sichelstiel. „Viele haben das Gefühl, es gibt eine neue Steuer“, sagt auch der katholische Dekan André Hermany. Dabei handle es sich um eine alte Steuer – und lediglich ein neues Verfahren, diese einzuziehen. An der Höhe hat sich nichts geändert.

Es geht um die Kirchensteuer, die fällig wird, wenn man ein ausreichend großes Vermögen besitzt und Kapitalertragssteuer zahlen muss. Mit 50 Jahren haben die meisten mehr Geld als mit 20. Deshalb wurden wohl vor allem ältere Kirchenmitglieder durch die Neuerung aufgeschreckt, vermutet Sichelstiel. Auch die Zahl der Austritte bei Menschen über 60 und 70 ist deutlich gestiegen. Vielen sei nicht bewusst, dass es diese Steuer seit längerem gibt, andere überschätzen die Relationen, so Sichelstiel.

Hermany hat die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche für Fürth nicht parat. Die Erzdiözese Bamberg werde ihre Zahlen erst noch veröffentlichen, „aber sie werden deutlich über der von 2013 liegen“, prophezeit er. Auch weil 2014 der Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst viele Mitglieder vergrault hat.

Andere gehen, weil sie keine Bindung zur Kirche spüren, da macht sich Hermany keine Illusionen: „Vielen hat die Kirche für ihr Leben nichts zu sagen.“ Nicht nur die Lebensentwürfe sind vielseitiger geworden, auch die Konkurrenz für die Kirche ist größer: „Haben Sie eine Lebensfrage? Dann können Sie googeln und bekommen Antworten“, sagt Hermany trocken. „Oder sehen Sie sich an, wie viel esoterische Literatur es gibt!“

Er beobachtet auch, dass sich „in dieser unruhigen Welt“ viele ins Private zurückziehen. „In der U-Bahn ist es ruhiger geworden, jeder tippt in sein Smartphone – heute habe ich meine Welt in der Tasche.“

Hat die Kirche da noch Antworten zu bieten? „Gerade heute!“, meinen die Dekane. In dieser Zeit, die von Umbrüchen und Verunsicherung geprägt sei, „ist es gut, dass es etwas gibt, das nicht flüchtig ist: der Glaube an Gott“ (Sichelstiel). Die Kirche mache vieles gut, für Kinder und Familien beispielsweise habe sie tolle Angebote, sagt Sichelstiel. Schwieriger wird es, im Leben von jungen Menschen einen Platz zu haben: „Einen Facebookgottesdienst haben wir nicht“, sagt Sichelstiel. Die Lust aber auf das Miteinander vor Ort, nicht im sozialen Netzwerk, die müsse man vielleicht wieder wecken.

Auch Hermany sieht viele Möglichkeiten. Die Kirche müsse aber „viele neue Wege“ beschreiten, glaubt er, um die Menschen „auch anders zu erreichen“. Dazu gehört, im Internet präsenter zu sein. Auch ein neues Priesterbild wünscht er sich: „Weg davon, dass einer als Sager auftritt.“ Er ist froh, dass die Menschen heute verschiedene Gottesdienste ausprobieren: „Wenn denen einer nicht passt, schauen sie sich um. Darin liegt auch eine Chance.“

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