„Fürther Modell“ ersetzt das Sozialticket

5.6.2011, 10:00 Uhr
„Fürther Modell“ ersetzt das Sozialticket

© Hans-Joachim Winckler

Das wurde im Rahmen einer von den Fürther Nachrichten moderierten Podiumsdiskussion publik, zu der das örtliche Sozialforum und die Erwerbloseninitiative eingeladen hatten. Wie Elisabeth Reichert, seit März amtierende Sozialreferentin der Stadt, ankündigte, bereite man auf Initiative der für den Nahverkehr zuständigen infra ein „Fürther Modell“ vor.

Zu diesem Zweck werde die infra einen fünfstelligen Betrag beisteuern, bei anderen Firmen und Privatleuten will man um weitere Spenden bitten, die dann via Bürgerstiftung an Bedürftige ausgezahlt werden. In Fürth geht man von 7000 bis 8000 Menschen aus, die Anspruch hätten.

Der Startschuss für die Ticketsubventionierung soll zum Jahresbeginn 2012 fallen. Wie Reichert auf Nachfrage unserer Zeitung sagte, beginne man erst, wenn „mindestens 100000 Euro“ im Topf sind — und wenn pro Kopf mindestens fünf Euro Zuschuss ausgezahlt werden können.

Das Publikum bei der Diskussion im vollbesetzten Saal der Gemeinde „Unsere Liebe Frau“ nahm die Nachricht mit gemischten Gefühlen auf. Zwar sei der Vorstoß besser als nichts, angesichts der hohen Preise für Monatstickets seien fünf Euro jedoch nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, hieß es — zumal die Tarife, wie berichtet, in Fürth und Nürnberg in den kommenden Jahren noch einmal drastisch angehoben werden. Zwingend notwendig bleibe deshalb die Einführung eines „echten“ Sozialtickets.

Dem stimmten auch die Teilnehmer auf dem Podium, von SPD-Fraktionschef Sepp Körbl über Elisabeth Reichert und infra-Leiter Hans Partheimüller bis hin zu BN-Vertreterin Waltraud Galaske, VdK–Sprecherin Gabi Köpplinger und Linken-Stadtrat Ulrich Schönweiß zu. Wie sehr ein stark vergünstigtes Ticket ärmeren Menschen helfen würde, hatten ihnen zuvor noch einmal Joachim Schwarz, Sprecher der Fürther Erwerbsloseninitiative, und Franz Ganster, Flüchtlingsbetreuer der Caritas, vor Augen geführt; sie machten deutlich, dass ihrer Klientel das Geld hinten und vorne nicht reicht, um sich auch noch regelmäßige Fahrten in Bussen und U-Bahnen leisten zu können. Die viel beschworene gesellschaftliche Teilhabe sei folglich oft nicht möglich.

Bitterer Ausgleich

„Es ist uns klar, dass etwas getan werden muss, und ich schäme mich, dass in unserer reichen Gesellschaft, so viele vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind“, bekannte Elisabeth Reichert. Doch ebenso wie Partheimüller und Körbl untermauerte sie, dass ein Sozialticket allein auf Fürther Boden finanziell nicht machbar sei.

Knackpunkt ist der Grundvertrag des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN), dem Fürth zusammen mit 23 weiteren Städten und Landkreisen sowie Bahn und privaten Verkehrsunternehmen angehört. Darin ist festgelegt, dass Mitglieder für „einnahmenmindernde Tarifmaßnahmen“ Ausgleichszahlungen zu leisten haben. Im Fall eines – reinen Fürther Sozialtickets – zum Preis von etwa zwölf Euro summiere sich dies auf rund eine Million Euro im Jahr, so infra-Chef Partheimüller.

Machbar sei deshalb nur eine Lösung, bei der sich alle VGN-Partner über die Schaffung eines Sozialtickets einigen. Dafür setzt sich Partheimüller seit geraumer Zeit ein. Doch seine Ende November im Stadtrat geäußerte, optimistische Einschätzung, eine Lösung für das gesamte VGN-Gebiet sei in Sicht, vermag bei der Leitung des Verkehrsverbunds niemand zu teilen.

Der Fürther Wunsch sei zwar bekannt, sagte VGN-Geschäftsführer Jürgen Haasler am Freitag auf FN-Anfrage, doch die Aussicht auf eine Realisierung ist nach seiner Einschätzung gering; zu unterschiedlich seien „Struktur und Bedarf“ innerhalb des Verbunds. Zudem könne es nicht Aufgabe der beteiligten Verkehrsbetriebe sein, Defizite in der Sozialpolitik wettzumachen. Haasler spielt den Ball deshalb zurück: Chancen für ein Sozialticket sehe er „eher auf lokaler Ebene“.

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