Fürther Politik will VGN-Teufelskreis durchbrechen

5.8.2015, 06:00 Uhr
Fürther Politik will VGN-Teufelskreis durchbrechen

© Berny Meyer

In der Stadtratssitzung Ende Juli war es wieder einmal so weit: Eine Erhöhung der Fahrpreise um 3,11 Prozent für den gesamten Verbundraum war aufgerufen - und die Fürther Kommunalpolitik segnete sie ab wie all die anderen Male zuvor. Diesmal allerdings mit vernehmlichem Zähneknirschen, erstmals kam es fraktionsübergreifend zur Meuterei. Was bis dato eine politische Minderheit, angeführt von Grünen und Linken, regelmäßig lautstark moniert hatte, dass man die Fahrten in Bussen und Bahnen nicht fortwährend verteuern könne – diese Haltung scheint plötzlich mehrheitsfähig zu sein.

Kosten werden umgelegt

Der Automatismus habe keine Zukunft, verlautete aus der CSU, man wolle diesen Weg deshalb „nicht weitergehen“; und der SPD-Sprecher befand, man müsse „den Teufelskreis der Beschlüsse durchbrechen“.

Der „Teufelskreis“, er basiert auf den sogenannten Atzelsberger Beschlüssen, benannt nach dem Schloss nahe Erlangen, wo sie einst gefasst wurden. Das Prinzip: Ein Warenkorb, dessen Wert jedes Jahr neu berechnet wird, gibt vor, welche gestiegenen Kosten auf die Tickets umgelegt werden. In die Kalkulation fließen unter anderem die Ausgaben des Zweckverbands für Personal, Sprit, Material und Fahrzeuge ein.

Die Folge sind zwischen zwei und vier Prozent Preissteigerungen, und das routinemäßig alle Jahre wieder. Seit jeher gibt es Widerstand dagegen, zuletzt hatte auch das Fürther Sozialforum mehrfach gegen die Belastungen für sozial Schwache protestiert; die Grünen warnen gebetsmühlenartig, dass der umweltfreundliche ÖPNV zusehends unter die Räder komme, davon profitieren werde unweigerlich der Autoverkehr.

Hans Partheimüller, Geschäftsführer der in Fürth für den öffentlichen Nahverkehr zuständigen infra, hatte schon in der einschlägigen Diskussion im Jahr 2013 bekannt: Er könne den Widerstand zwar „politisch nachvollziehen“, wirtschaftlich sei ein Verzicht auf die Preisanpassungen indes „nicht vertretbar“ – zumal der ÖPNV-Sektor ohnedies bereits stark defizitär arbeite. Millionen müssen zugeschossen werden, um ihn kostendeckend zu halten. Die Gegenrechnung der Kritiker: Wegen der nach oben offenen Preisspirale springen immer mehr Kunden ab, die Defizite werden damit unter dem Strich noch größer.

Ob es solche Argumente sind, die zum kollektiven Murren führen – man darf es bezweifeln. Fakt ist aber: Zusätzlich zu diesen Routine-Anhebungen gab es in den vergangenen drei Jahren eine Tarifreform, die weit massivere Preissprünge für ÖPNV-Nutzer in Fürth zur Folge hatte, für Kommunalpolitiker wird es vor diesem Hintergrund immer schwieriger, die Erhöhungen gegenüber ihren Wählern zu rechtfertigen. Deshalb fordern sie nun den Kurswechsel beim VGN. Doch wie er aussehen soll, bleibt vorerst unklar.

Denn Geschäftsgrundlage des Verbunds ist bisher: Wer bei Erhöhungen nicht mitzieht, ist gegenüber dem VGN zu jährlichen Zahlungen verpflichtet, die sich ergebende Mindereinnahmen ausgleichen sollen. Auf Anfrage der Linken hatte die infra für den aktuellen Fall, die Anhebung um besagte 3,11 Prozent, errechnet: Auf die Stadt Fürth käme eine Forderung in Höhe von stolzen 9,7 Millionen Euro im Jahr zu. Von „Wucher und Knebel in höchstem Maße“, spricht deshalb die Fürther Linke. Dass der Handlungsspielraum des Stadtrats durch den VGN-Grundlagenvertrag derart eingeschränkt werde, widerspreche dem Prinzip der Demokratie. Zuständig seien doch „die gewählten Parlamente, nicht Betriebswirtschaftler“.

Ein sofortiger Ausstieg aus den Vereinbarungen, wie ihn die Linke zornig fordert, ist allerdings wohl kaum realistisch. „Das wäre so, als würde Deutschland aus der EU und dem Euro zugleich austreten“, sagt SPD-Oberbürgermeister Thomas Jung auf FN–Nachfrage. „Wir wären eine völlig isolierte Verkehrsinsel, Fahrscheine wären ab der Stadtgrenze nicht mehr gültig.“

Nicht sittenwidrig

Vom städtischen Rechtsamt habe er die VGN-Vereinbarungen überprüfen lassen und die Rückmeldung bekommen: Von einer etwaigen Sittenwidrigkeit könne keine Rede sein, die Verträge seien „freiwillig und gültig“, zudem in deutschen Verkehrsverbünden üblich.

Dennoch, so Jung, habe er Verständnis für das wachsende Unbehagen, das ihm nun sogar aus den Reihen seiner eigenen Partei entgegenschwappt. „Jedes Jahr eine Erhöhung, das ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss“, räumt der OB ein – und will aktiv werden. Lösungen seien jedoch „nur einvernehmlich“ mit allen VGN-Partnern denkbar.

Einen „langen, schwierigen Weg“ prophezeit Fürths Stadtoberhaupt deshalb, einen ersten Schritt werde er aber bereits Mitte September versuchen. Dann steht ein Treffen von vier Oberbürgermeistern und Landräten aus der Region an – mit denen Jung das heikle Thema erörtern möchte.

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