Fürther Relikt aus der Zeit des Kalten Kriegs

15.8.2015, 10:00 Uhr
Fürther Relikt aus der Zeit des Kalten Kriegs

© Foto: Michael Müller

Unzählige Autofahrer und Fußgänger passieren täglich diesen Betonblock am Rande des Königsplatzes, den meisten fällt er wahrscheinlich gar nicht auf. „Berlin, 400 km“ steht darauf, darüber reckt ein kleiner Bär seine Nase in die Höhe. Viele denken, dass der Stein an den Bau der Mauer und das dadurch brutal zerschnittene Berlin erinnern soll – ein Ereignis, das sich in diesen Tagen jährt. Doch den Stein gab es schon 1957, also vier Jahre vor Errichtung des sogenannten antifaschistischen Schutzwalls.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Berlin eine geteilte Stadt. Im Osten lag die sowjetische Zone, im Westen die von Amerikanern, Briten und Franzosen kontrollierten Sektoren. Der vollständig von der DDR umgebene Westteil der Stadt hatte immer wieder mit Einschränkungen zu kämpfen. 1951 gründete sich der Bund der Berliner und Freunde Berlins (BdB), der das Interesse an der Stadt im restlichen Land wachhalten sollte.

Zunächst kam das Bundesverkehrsministerium auf die Idee, an der Autobahn alle 100 Kilometer einen Stein zu platzieren, der die Entfernung bis Berlin anzeigt. Als Bezugspunkt diente der dortige Dönhoffplatz, auf dem sich im 18. Jahrhundert der Preußische „Null-Meilenstein“ befand, der Ausgangspunkt für die Vermessung im Norden. Die erste dieser Betonsäulen weihte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss am 12. Januar 1954 an der Autobahn 3 in Rheinland-Pfalz ein.

Dem Berlin-Beauftragten der Bundesregierung, Gerd Bucerius, war das wohl zu wenig. Der Mitbegründer der Wochenzeitung Die Zeit, initiierte gemeinsam mit dem BdB Mitte der 1950er Jahren eine Werbekampagne: Die Steine sollten auch in Städten stehen — als Ausdruck der Solidarität der Deutschen mit dem gespaltenen Berlin.

In Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat, den Gemeinden und den Ortsvereinen des BdB wurden bis in die 80er Jahre hinein über 100 solcher Betonquader aufgestellt. Fürth bekam sein Exemplar schon relativ früh: Am 23. Juni 1957 besuchte Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard seine Geburtsstadt und weihte den Gedenkstein zusammen mit Oberbürgermeister Hans Bornkessel ein. Dreimal wurde der Stein dabei begossen: mit Spreewasser, Schaumwein und — ungeplant — einem Regenschauer.

Trotz des bescheidenen Wetters war eine „große Menge Fürther“ auf den Beinen, wie die FN damals berichteten: „Der neue Meilenstein solle ein Zeichen der Überzeugung sein, dass Berlin und das übrige Deutschland zusammengehören.“

Von der Euphorie der früheren Tage ist nach der Wiedervereinigung wenig übriggeblieben. Als offizielles Denkmal gilt der Stein nicht. Erst im vergangenen Jahr befreite die Stadt das Kunstwerk vom Schmutz. Dabei ergeht es dem Fürther Bären relativ gut: In anderen deutschen Städten sind die Skulpturen von heute auf morgen verschwunden.

Den Original-Artikel der Einweihung aus dem Jahr 1957 finden Sie auf der Facebook-Seite der Fürther Nachrichten.

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