Fürther Schule hat keinen Platz für zwei syrische Kinder

22.11.2014, 11:00 Uhr
Fürther Schule hat keinen Platz für zwei syrische Kinder

© Foto: Mark Johnston

Das Haus in der Kreppendorfer Straße ist neu, die gelbe Farbe macht einen freundlichen Eindruck. Ein geeignetes Ambiente also für einen Neustart nach furchtbaren Jahren in einem Camp in Damaskus, den dauernden Bombenangriffen dort, schließlich der Flucht nach Deutschland und der zermürbenden Zeit in den Unterkünften in Zirndorf und Nürnberg, bis ihr Asylantrag bewilligt wurde. Shadow Rookah und ihren vier Kindern fällt das Lachen immer noch schwer.

Jetzt, wo sie es fast geschafft haben und das Leben in Sicherheit beginnen kann, tun sich neue Hürden auf. Während die 40-jährige Shadow nach Weihnachten an einem Deutsch-Kurs teilnehmen darf, um mit den erworbenen Kenntnissen später auf Job-Suche zu gehen, bleibt ihren beiden ältesten Kindern das verwehrt.

Jeschkala, die in ein paar Tagen 18 Jahre alt wird, und ihr 16-jähriger Bruder Jamil haben einen Traum: Sie möchten Ärzte werden. Um studieren zu können, brauchen sie einen ordentlichen Schulabschluss. Doch den können sie derzeit nirgends absolvieren. Wegen des großen Flüchtlingszustroms platzen die sogenannten Übergangsklassen, in denen Kinder und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln fit für eine Ausbildung oder eine weitere schulische Laufbahn gemacht werden, in ganz Bayern aus allen Nähten.

Im September, als die syrische Familie noch in einer Gemeinschaftsunterkunft in Nürnberg auf ihre Anerkennung gewartet hatte, konnten Jeschkala und Jamil die Berufsschule 5 in der Deumentenstraße besuchen. Jetzt, mit der Aufenthaltserlaubnis in der Tasche, mussten sie sich eine eigene Wohnung suchen — und haben sie in Veitsbronn-Siegelsdorf gefunden. Mit dem Umzug in den Landkreis Fürth mussten die Jugendlichen die Nürnberger Schule wieder verlassen.

„Es zerreißt uns das Herz“

In Fürth aber, wo an der staatlichen Berufsschule derzeit vier solcher Übergangsklassen eingerichtet sind, kommen Jeschkala und Jamil nicht zum Zug. „Es zerreißt uns das Herz, dass wir sie abweisen mussten, sie sind nicht die Einzigen“, berichtet die stellvertretende Schulleiterin Elke Grede-Pawlak. Die Berufsschule ist für solche Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren zwar zuständig, doch kann sie längst nicht mehr alle aufnehmen.

Denn der Fürther Sprengel umfasst nicht nur die schulpflichtigen Migranten- und Flüchtlingskinder in Stadt und Landkreis Fürth, sondern auch die in Erlangen, im Landkreis Erlangen-Höchstadt und im östlichen Landkreis Neustadt/Bad Windsheim.

Die Alphabetisierungsklasse zum Beispiel, in der Heranwachsende aus Afghanistan, Somalia oder Eritrea Lesen und Schreiben lernen, ist längst „überbucht“; maximal 20 Jungen und Mädchen dürfen dort aufgenommen werden. Auch die drei anderen Klassen liegen über der Soll-Stärke.

Bei der Regierung in Ansbach kennt man das Problem. Die Notwendigkeit, weitere Übergangsklassen zu bilden, „sei absehbar“, heißt es dort. Auch Kultusminister Ludwig Spaenle, der heute zum Berufsbildungskongress des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen nach Erlangen kommt, hat bereits Hilfe signalisiert. Studiendirektorin Grede-Pawlak indes mahnt, der Markt an kompetenten Lehrern, die Deutsch als Zweitsprache vermitteln können, sei längst leergefegt. Auch hier müsse Abhilfe geschaffen werden.

Jeschkala und Jamil hoffen nun, dass sich bald etwas tut und sie sich die öde Langeweile durch Unterricht vertreiben können. Im Gegensatz zu ihnen sprechen ihre Geschwister bereits recht ordentlich Deutsch. Denn der siebenjährige Mohammad geht jetzt in die erste Klasse der Veitsbronner Grundschule. Und für die vierjährige Joud ist ein Kindergartenplatz vorhanden. Die beiden Kleinen haben Freunde gefunden, doch ihre ernst dreinblickenden großen Geschwister sitzen schweigend zu Hause auf der vom Vermieter geschenkten Couch.

Sie haben keine Ahnung, wie ihre Zukunft aussehen wird.

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